Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Friedenslobby beim II. Vatikanischen Konzil (1)

Von Hildegard Goss- Mayr (Vortrag im Haus der Begegnung in Innsbruck, 15. Oktober 2012, Teil 1)

Geehrte Anwesende,
liebe Freundinnen und Freunde!

Mit großer Dankbarkeit denke ich an das Konzil. Es hat meinem Glauben und meinem Christsein in der Welt neue Dimensionen eröffnet, selbst dann, wenn so manche Entschließungen nicht umgesetzt wurden, umstritten blieben oder rückläufig sind. Die durch das Konzil erneuerte Kirche erlebt sich als durch die Taufe gemeinsam berufenes Volk Gottes unterwegs zu immer tieferer Einsicht in das Evangelium, um Antwort zu geben auf die Herausforderungen der Zeit. Die großen Themen: Neue Sicht der Kirche, Liturgiereform, Ökumene, Begegnung mit anderen Religionen und Nichtgläubigen, Religionsfreiheit, Menschenwürde und Menschenrechte, Bauen am Frieden sind aus unserem ChristIn-sein nicht mehr fortzudenken.

Heute Abend werden wir uns aber ausschließlich mit einem kleinen, doch wesentlichen Teil-Thema beschäftigen, dem 5. Kapitel der Pastoralkonstitution Gaudium et spes (Die Kirche in der Welt von heute) mit dem Titel "Die Förderung des Friedens und der Aufbau der Völkergemeinschaft". Als Zeitzeugin möchte ich berichten, wie mein Mann, Jean Goss, und ich uns als Laien einsetzten, um die Frage von Krieg und Frieden in das Konzil einzubringen und dieses zu drängen, durch eine im Evangelium wurzelnde Friedensbotschaft auf die Erwartungen der Menschheit zu antworten. "Es handelt sich darum, die moderne Welt mit den lebenspendenden Energien des Evangeliums in Kontakt zu bringen und der angstgepeinigten Welt … Gedanken und Vorschläge für den Frieden anzubieten." Mit diesen Worten aus der Einberufungs-Konstitution "Humanae Salutis" (1961) weist Johannes XXIII. bereits auf diese wichtige Zielsetzung des Konzils hin.

Mein Mann, Jean Goss, und ich waren damals bereits seit einigen Jahren in der Friedensarbeit aus der Perspektive der Gewaltfreiheit engagiert und wussten uns als auf Jesus Christus Getaufte mitverantwortlich für den Friedensauftrag der Kirche. Aus dieser Glaubenshaltung gelangten wir zu der Überzeugung, das Konzil müsse unbedingt die Frage Krieg und Frieden aufgreifen und wir sollten, obgleich zwei Laien ohne kirchliche Position, uns nach besten Kräften dafür einsetzen.

Wir waren beide im Internationalen Versöhnungsbund angestellt. Er ist die älteste Ökumenische Friedensbewegung, die die Gewaltfreiheit Jesu als grundlegendes und verpflichtendes Prinzip des christlichen Glaubens versteht und sich seit dem Ersten Weltkrieg dafür einsetzt, dieser oft missachteten Botschaft des Evangeliums in den christlichen Kirchen wie in der Welt verstärkt zum Durchbruch zu verhelfen. In die großen Tagungen des Weltkirchenrates brachte er jeweils Vorschläge zur Überwindung von Krieg und Gewalt, für friedliche Konfliktlösung und Versöhnung ein. Nun beauftragte uns der Internationale Versöhnungsbund, diese Aufgabe in Bezug auf das Konzil wahrzunehmen.

Geschichtlich-politische Situation und Papst Johannes XXIII.

Um die Brisanz der Friedensfrage innerhalb der umfassenden Themen dieses Reformkonzils zu verstehen ist es notwendig, an den politischen Hintergrund und das Friedensengagement von Papst Johannes zu erinnern.

- Einerseits steht die Welt zu Beginn der 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts am Höhepunkt des Kalten Krieges, dem Machtkampf zwischen dem kommunistischen Osten und dem kapitalistischen Westen, in einem erbitterten psychologischen Krieg und der Bedrohung der Menschheit durch die massive Aufrüstung mit ABC-Waffen und durch einen Atomkrieg. Es herrscht eine Atmosphäre der Angst. Auf diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Mehrheit der Bischöfe die atomare Aufrüstung und Drohung mit diesen Waffen, d.h. das so genannte Gleichgewicht des Schreckens, nicht ausschloss. Das Denken vieler Konzilsväter und nicht selten deren Theologlnnen war besetzt von dieser Haltung, die den biblischen Blickpunkt auszuschließen drohte.

- Andererseits erwartete die angsterfüllte Menschheit eine konkrete, starke Friedensbotschaft des Konzils, sowie dessen Solidarisierung mit den großen Menschheitsanliegen wie Abrüstung, Armut, koloniale und ideologische Unterdrückung, Missachtung der Menschenrechte usf.

Diese Hoffnung wurde durch die Friedensinitiativen von Papst Johannes genährt: Er war es, der den "Eisernen Vorhang des Misstrauens" durchbrach und den Dialog mit kommunistischen Regierungen aufnahm. Er führte nicht nur eine grundlegend neue, prophetische Haltung und Politik des Vatikans ein, sondern schuf auch die Voraussetzungen für einen Dialog, der selbst in der Kubakrise (Oktober 1962) standhielt, als sich die Welt am Rande des Atomkrieges befand. Er kontaktierte J.F. Kennedy und Chruschtschow, deren "Falken" unter den Militärs zum Zuschlagen drängten, und trug so durch seine Autorität zur Entspannung der tödlichen Krise bei. In seiner Enzyklika "Pacem in terris" (1963) forderte er dazu auf, das Gleichgewicht des Schreckens durch ein Gleichgewicht des Vertrauens zu ersetzen. Das Ringen um Frieden kennzeichnete sein ganzes Pontifikat. "Ich fürchte, dass meine Kinder in einen neuen Krieg hineingezogen werden!" Diese Worte zählten zu seinen letzten.

Unsere Motivation

In dieser Weltsituation am Rande der Selbstvernichtung, so sagten wir uns, muss die Kirche Zeichen des radikalen Friedensweges Jesu und dessen Umsetzung in der Welt setzen. Das verlangt jedoch ihre eigene Hinwendung zur Gewaltlosigkeit Gottes. Kraft und Inspiration für unser eigenes Engagement in dem schwierigen Ringen um diesen Schritt empfingen wir immer wieder neu aus der Überzeugung von Papst Johannes, dass der Geist des Lebendigen Gottes in der konziliaren Kirche am Werk ist - und damit auch in uns und durch uns. Das gilt auch für heute, 50 Jahre danach.

Vorarbeit

Im Gegensatz zu großen Themen des Konzils wie Liturgie, Bedeutung der Laienarbeit, Bibelinterpretation oder Kirchenverständnis, wo bereits beachtliche Vorarbeit geleistet worden war, erwies sich diese auf dem Gebiet der Friedensbotschaft des Evangeliums und gewaltfreier Konfliktlösung noch sehr bescheiden.

Im Rahmen des Internationalen Versöhnungsbundes und nach dem Zweiten Weltkrieg auch durch Pax Christi war ein internationales Netz von Gruppen und Theologlnnen entstanden, die sich nicht nur der Wiederaufrüstung in Deutschland und vor allem der Atomrüstung widersetzten, sondern auch die Friedenstheologie auf der Grundlage des Evangeliums Jesu, das Böse durch das Gute zu überwinden, voranzubringen suchten. Es verband Initiativen in Österreich, Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, England und den USA (Catholic Worker von Dorothy Day, Thomas Merton, Bischof Gumbleton von Pax Christi u.a.)

Von Bedeutung erwies sich auch der Kontakt, den mein Mann, Jean Goss, bereits 1950 mit dem damaligen Prälaten Msgr. Alfredo Ottaviani, dem späteren Kardinal und Leiter der Glaubenskongregation (Heiliges Offizium) hergestellt hatte. Obgleich dieser während des Konzils eine führende Kraft des konservativen Flügels ("Bremse") war, vertrat er mit Überzeugung und Engagement die Friedenstheologie. 1950 hatte er in einem seiner theologischen Werke festgestellt: "Der Krieg ist völlig zu untersagen". Er solle durch menschenwürdige Formen der Konfliktlösung ersetzt werden.

Ermutigt durch diese Aussage fuhr Jean Goss (er lebte damals im verarmten und politisch instabilen Nachkriegsfrankreich und wurde von der kommunistischen Friedensbewegung wegen des Schweigens der Katholischen Kirche zur Aufrüstung heftig angegriffen) im März 1950 nach Rom, obgleich er trotz wiederholter Anfrage keine Einladung erhalten hatte. Dort musste er sich den Zugang zu dem Prälaten im Heiligen Offizium erkämpfen. Zwei Stunden verbrachte er bei Msgr. Ottaviani: Er gab Zeugnis von seinem Leben als engagierter französischer Soldat gegen Hitler, der viele unschuldige Menschen tötete, und von dem Glauben, den Gott ihm schenkte, dass alle Menschen ausnahmslos geliebte Kinder Gottes und deshalb absolut zu achten sind; von dem gewaltlosen Befreiungsweg Jesu und seiner Liebe, die wir selbst den Kommunistinnen zu geben hätten; dass ein/e ChristIn deshalb jeden Krieg verweigern müsse und dass Tausende ChristInnen hierzu eine Stellungnahme der Kirche erwarteten. Msgr. Ottaviani war tief beeindruckt. Er sagte zu Jean: "Die Kirche ist noch nicht so weit. Doch Gott hat dir eine Wahrheit für die Kirche und die Welt anvertraut. Geh und gib Zeugnis, überall." Und er segnete in Jean alle Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen. - Während des Konzils leistete er uns große Hilfe.

1960 - Erstellung eines Arbeitsinstrumentes: Eingabe und Dokumentation

Als ersten Schritt unserer Arbeit galt es, eine Eingabe mit dazugehöriger Dokumentation zu erarbeiten. Mit einem belgischen Theologen machten wir einen Entwurf, den wir 200 Theologlnnen, Priestern und Laien zur Begutachtung und Verbesserung zusandten.

Dabei mussten wir von der Tatsache ausgehen, dass die Mehrzahl der Bischöfe in der Theologie des "bellum justum", d.h. des so genannten gerechten Verteidigungskrieges, fest verankert war. Unsere Eingabe umfasste vier Stufen:

1. Der moderne Krieg ist wegen der Massenvernichtung und der Unmöglichkeit, die Zivilbevölkerung zu schützen, den Bestimmungen des "gerechten Krieges" radikal entgegengesetzt und daher zu verurteilen. (Dokumente: Pius XII und P. Stratmann OP)

2. Abschreckung: In diesem Punkt, der in der Konzilsdebatte der umstrittenste war (und geblieben ist), geht es um den unmoralischen Charakter der Erzeugung und Lagerung sowie der Abschreckung mit ABC-Waffen, deren Verurteilung wir forderten. "Die Abschreckung ist unmoralisch, denn die Hoffnung, diese Waffen nicht anzuwenden, ist illusorisch, da die Drohung nur dann wirksam ist, wenn man die Absicht hat, sie als letztes Mittel zu gebrauchen." (Christopher Butler OSB bei der Diskussion in der Aula)

3. Der dritte Punkt war unser besonderes Anliegen: die christliche Friedenstheologie auf biblische Basis zu stellen, auf den von Jesus gelehrten und vorgelebten gewaltlosen Befreiungweg zur Überwindung aller Gewalt und allen Unrechts, zu Vergebung und Vers6hnung, und daraus die Leitlinien für das Friedenshandeln der Kirche zu erstellen.

4. Im 4. Punkt setzten wir uns für den Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen ein (sie wurden in vielen Staaten verfolgt und von der Kath. Kirche nicht geschützt), wie für die Pflicht der Gehorsamsverweigerung gegenüber unmoralischen Gesetzen und Befehlen.

In einer begleitenden Dokumentation begründeten wir die Eingabe, die 80 Theologlnnen, Priester und qualifizierte Laien unterzeichneten.

Über Empfehlung von Kardinal König (Wien) wandten wir uns darauf an den Österreichischen Pax Christi Bischof Dr. Rusch (Innsbruck) mit der Bitte, die Eingabe offiziell bei der theologischen Vorbereitungskommission einzubringen. Nach längeren, nicht einfachen Aussprachen erklärte er sich dazu bereit.

April/Mai 1961: Vorbereitungsarbeit in Rom

Im Frühjahr 1961 fuhren wir nach Rom um zu überprüfen, was mit unserer Eingabe geschehen war. Sie war tatsächlich bei der Theologischen Kommission eingetroffen, deren Vorsitz Kardinal Ottaviani führte. Dort dominierte der konservative, kuriale Flügel mit dem Jesuitenpater Tromp als Sekretär und der Mitarbeit des deutschen Jesuiten Prof. Gundlach, dessen Stellungnahme zugunsten der Atomwaffen bei der Verteidigung gegen den Kommunismus in Deutschland zu heftigsten Auseinandersetzungen geführt hatte. Trotz erheblichen Widerstandes setzte Kardinal Ottaviani für uns Gespräche mit P. Tromp und Prof. Gundlach durch. Diese gestalteten sich äußerst schwierig. Da keine Argumente gegen den modernen Krieg und die atomare Abschreckung zielführend waren, entschlossen wir uns, schlicht Zeugnis von unseren Erfahrungen mit der Gewaltfreiheit Jesu in der Ost-Westarbeit zu geben, wo wir seit 1955 das Gespräch, den Dialog mit dem Feind, in Polen und der Sowjetunion aufgebaut hatten. Beide waren von diesem Zeugnis sichtbar berührt und versicherten, dass es Kern der evangelischen Botschaft ist, das Böse aus der Kraft des Guten zu überwinden. Doch die großen Fragen blieben offen. Jedenfalls war es gelungen, die Problematik in der Tiefe aufzureißen. P. Tromp beschloss, die Eingabe an die Sachkommission weiterzuleiten.

Mehr Verständnis und Offenheit erlebten wir bei der Kommission Laienapostolat unter der Leitung von Msgr. Glorieux und Pavan. Wenngleich sie an der Möglichkeit der bewaffneten Verteidigung festhielten, waren sie sich der Leiden der Menschen durch Unrecht, Ausbeutung und Krieg sehr bewusst, suchten nach Alternativen und versprachen uns, Vorschläge für den gewaltfreien Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden zu unterstützen.

Besondere Unterstützung erhielten wir von Kardinal Augustin Bea, dem Leiter des Sekretariates zur Förderung der Einheit der Christlnnen. Dieses brachte am stärksten den Geist von Papst Johannes zum Ausdruck und arbeitete für Erneuerung aus der Tiefe der Bibel. Mit Kardinal Bea hatten wir schon lange unsere Erfahrungen in der Ökumene des Versöhnungsbundes wie bei unserer Arbeit in Osteuropa und auf dem Balkan mit Orthodoxen Kirchen geteilt. Mehrmals half uns sein Sekretariat in schwierigen Situationen.

Oktober/November 1962: Erste Sitzungsperiode des Konzils

Am 11. Oktober war es endlich so weit. Unvergesslich bleibt mir die Atmosphäre des Aufbruchs und der Freude bei den zahlreichen Bischöfen, Theologlnnen, BeobachterInnen, Presseleuten aus allen Teilen der Welt auf dem Petersplatz. Auch aus der Botschaft der Konzilsväter vom 20. Oktober sprach der Geist von Papst Johannes: "Aus allen Völkern unter der Sonne vereint, tragen wir in unserem Herzen die Nöte der uns anvertrauten Völker, die Ängste … Sehnsüchte, Hoffnungen besonders der Armen und Schwachen… Deswegen legen wir besonderes Gewicht auf jene Probleme, die die Würde des Menschen betreffen … Christi Liebe drängt uns."

Doch sehr rasch zeichneten sich die divergierenden Strömungen ab: Die von der Kurie unterstützte konservative Linie und die auf Öffnung zur modernen Welt ausgerichtete, die vor allem von Konzilsvätern und Theologlnnen aus (West-)Europa bestimmt wurde. Zwei Ereignisse, so scheint es mir, trugen dazu bei, dass das Konzil sich von der Bevormundung durch die Kurie befreien und den Weg der Reformen einschlagen konnte:

Bei der ersten Generalkongregation sollte nach bereits vorliegenden Listen über die Mitglieder der Konzilskommission abgestimmt werden. Als das historische Votum gefilmt werden sollte, erhob sich Kardinal Liénart von Lille, Frankreich, und verlangte, dass die Konzilsväter ihre eigenen Vorschläge hierfür ausarbeiten. Darauf erhob sich Kardinal Frings, Köln, um dieses Votum zu unterstützen. Diese beiden ersten Konzilsinterventionen wurden mit starkem Applaus begrüßt und angenommen. Die Listen wurden neu erstellt.

Noch größere Tragweite hatte das zweite Ereignis: Das von der Theologischen Vorbereitungskommission erarbeitete Schema "Über die Offenbarung" stieß auf heftigen Widerstand als "zu scholastisch, moralisierend und ungenügend in der Bibel verwurzelt". Es kam zu einer Abstimmung, bei der es von der großen Mehrheit zurückgewiesen wurde, verfehlte jedoch die dafür nötige Zweidrittelmehrheit. Sollte die konservative Minderheit den Sieg davontragen? Eine tiefe Beunruhigung erfasste die Aula. Schließlich wurde beschlossen, den Papst um Entscheidung zu bitten.

An diesem Nachmittag trafen wir uns mit Kardinal Da Silva aus Santiago de Chile, der uns über diese Vorgänge informierte. Er forderte uns auf: "Beten wir die ganze Nacht, dass der Heilige Geist den Papst erleuchte". Am nächsten Morgen entschied Papst Johannes, das Schema von einer speziellen Kommission, der sowohl Mitglieder der Theologischen Kommission wie des Sekretariats für die Einheit der Christlnnen angehörten, neu erarbeiten zu lassen. Damit hatte das Konzil seine eigene Perspektive gewonnen und beiden Richtungen die Chance zum Austausch auf gleichwertiger Ebene gegeben.

Die Frage Krieg und Frieden war bei dieser Konzilsperiode in keines der vorliegenden Schemata aufgenommen, und es lagen noch 70 weitere Problemkreise vor! Hatte diese heikle Frage überhaupt eine Chance? Für dringlich vorgebrachte Fragen wurde jedoch ein Sekretariat für außerordentliche Angelegenheiten unter Leitung der Kardinäle Suenens (Mecheln/Belgien) und Döpfner (München) errichtet. Wir sahen nun die einzige Chance darin, eine Gruppe von Bischöfen dafür zu gewinnen, bei diesem Sekretariat die Friedensfrage mit großer Dringlichkeit einzubringen.

So besuchten wir einzeln zahlreiche Konzilsvater, um sie für diese Initiative zu gewinnen. Diese Arbeit war ungeheuer schwierig, da wir keinen offiziellen Auftrag hatten und die Bischöfe und ihre Periti sehr überlastet waren. Oft wurden wir abgewiesen, waren erschöpft, ja entmutigt. Doch langsam gelang es, zunächst unter französischen Bischöfen, eine Gruppe für die Eingabe der Friedensfrage aufzubauen. Zu unserer großen Freude war Erzbischof Guerry von Cambray so überzeugt von deren Dringlichkeit, dass er die Koordinierung der Bischöfe für das Ansuchen an das Sekretariat übernahm.

Ein Schlüsselgespräch für das Gelingen dieser Initiative war jenes mit Kardinal Döpfner (München), dem eine führende Rolle in dem Sekretariat zukam. Kardinal König, der uns während des Konzils immer wieder beriet und unterstützte, ebnete uns den Weg zur Aussprache mit ihm. Diese war nicht einfach. Auch bei ihm stand die Verteidigung gegen den Osten stark im Vordergrund. Er meinte, das Konzil sei nicht reif für eine Stellungnahme zur Friedensfrage. Doch war auch er beeindruckt von unserer Ost-Westarbeit, von dem "Gespräch mit dem Feind" und er war sich auch der großen Erwartungen der Menschheit von einer Friedensbotschaft des Konzils bewusst. Schließlich versprach er uns, sollte die Friedensfrage dem Sekretariat vorgelegt werden, würde er alles tun, um deren Aufnahme in die Konzilsarbeit zu ermöglichen.

Inzwischen vermehrte sich der Druck lateinamerikanischer Bischöfe für die Solidarität der Kirche mit den Armen und deren Unrechtssituation durch das Konzil. Die Dynamik wuchs und führte dazu, dass Kardinal Suenens in der Aula den Antrag stellte, ein Schema über die großen Anliegen der Menschheit in Angriff zu nehmen. Es war die Geburtsstunde des Schemas 17 (13), aus dem "Gaudium et spes" hervorging. Voll Freude berichtete uns Erzbischof Guerry: Unsere gemeinsamen Bemühungen haben Früchte getragen. Die Friedensfrage ist in dieses Schema aufgenommen. Müde aber glücklich machten wir uns auf den Heimweg.

Quelle: Spinnrad Nr. 4 / 2012 - Zeitschrift des Internationalen Versöhnungsbundes - Österreichischer Zweig .

Veröffentlicht am

24. Januar 2013

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