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Iran: Diplomat und Hoffnungsträger

Von Karl Grobe

Hassan Ruhani erbt von seinem Vorgänger Ahmadinedschad eine ruinierte Wirtschaft und hat mächtige Kräfte gegen sich. Er ist dem Obersten Rechtsgelehrten Ayatollah Ali Chamenei nachgeordnet.

Hassan Ruhani hat es gleich im ersten Wahlgang geschafft: Er ist der neue iranische Staatspräsident, gewählt mit 50,7 Prozent der Stimmen. Die Begeisterung der Iraner ist riesengroß nach dieser Wahl. Die Fundamentalisten - in Iran nennt man sie etwas freundlicher Prinzipalisten oder Prinzipientreue - sind kläglich gescheitert.

Das iranische Volk erwies sich als demokratisch: Fast drei Viertel der 50 Millionen Wahlberechtigten gingen zu den Urnen. Das Wahlergebnis zeigt nun die Kluft, die sich zwischen den "Prinzipientreuen" und der Mehrheit des Volkes weiter und weiter aufgetan hat: Zensur und Musikverbot, Kleiderordnung, Frauendiskriminierung und Religionswächter will das Volk nicht mehr. Am wenigsten findet sich der städtische Mittelstand mit dem Rigorismus ab. Und dieser Mittelstand ist jung, gebildet und weltoffen.

Der Kontrast zur Präsidentenwahl vor vier Jahren - damals wurde Ahmadinedschad im Amt bestätigt - ist unfassbar groß. Damals: Massive Proteste des städtischen Mittelstands, dann auch anderer Schichten gegen Wahlmanipulation und Gewalt, "Grüne" Bewegung, Schießbefehl, Todesopfer. Schließlich versandete die Bewegung. Diesmal: Euphorie, Begeisterung, Hoffnungen, eine Eskalation der Erwartungen.

Hypotheken hinterlassen

Darin steckt ein Bündel von Problemen. Der iranische Präsident ist dem Obersten Rechtsgelehrten, Ayatollah Ali Chamenei, nachgeordnet. Chamenei trifft die grundsätzlichen Entscheidungen vor allem in der Außenpolitik, und die verschiedenen Räte, die den politischen Prozess steuern, werden maßgeblich von ihm besetzt. Ruhani als neuem Staatspräsidenten bleiben die Befugnisse eines Regierungschefs. Das im März 2012 gewählte Parlament wird von sechs prinzipalistischen Gruppen kontrolliert - Reformer wie die Anhänger der "Grünen Bewegung" von 2009 oder des früheren Präsidenten Khatami spielen dort keine Rolle, die Anhänger Ahmadinedschads übrigens auch nicht.

Ahmadinedschad hat Ruhani weitere Hypotheken hinterlassen. Iran hat in den vier Jahren seiner zweiten Amtszeit eine Inflation erlebt, die den Wert der Inlandswährung geradezu vernichtet hat. Allein 2012 nahm er um die Hälfte ab, offiziell beträgt die Inflationsrate 33 Prozent.

Die staatlichen Hilfszahlungen an die ärmere Hälfte der Bevölkerung - Ahmadinedschads frühere Wählerbasis - konnte der Staat sich nicht mehr leisten. Zum Teil liegt das an den Sanktionen, die der Westen unter Führung der USA wegen der Atompolitik Irans verhängt hat. So hat der Iran praktisch keinen Zugriff mehr auf harte Devisen. Doch die wuchernde Korruption kann das Regime damit nicht entschuldigen.

Zudem haben die Besitz- und Machtverhältnisse in der iranischen Ökonomie sich unter Ahmadinedschad erheblich verändert. Im staatlichen Sektor - er ist wesentlich stärker ausgeprägt als in den großen Industriestaaten - haben Unternehmen der Pasdaran, der Revolutionsgarden, überall den ersten Zugriff, vom U-Bahn-Bau in Teheran und Isfahan bis zu Straßen- und Staudammprojekten überall im Land, und natürlich in der Energiepolitik, im Bergbau, im Außenhandel.

Vorzügliches Gedächtnis

Ruhani, der 1948 in Zentraliran geborene Kleriker und Politiker, hat somit einige Sisyphusarbeit vor sich. Er bringt dafür politische Erfahrungen mit, die bis in die Tage der Revolution gegen den Schah 1979 zurückreichen. Er war von 1989 bis 2005 Mitglied und zeitweise Leiter des Nationalen Sicherheitsrates, war unter der Präsidentschaft des Reformers Khatami (bis 2005) Chef-Atomunterhändler und durch flexible Diplomatie durchaus erfolgreich. Unter Ahmadinedschad ging er ins innere Exil: Er widmete sich den Rechtswissenschaften und der Mittelalterkunde.

Ruhani spricht fünf Fremdsprachen (Englisch, Deutsch, Französisch, Russisch und Arabisch) und verfügt nicht nur über diplomatisches Geschick, sondern auch über ein vorzügliches Gedächtnis. Für die kommenden internationalen Verhandlungen über die Nuklearfrage und Syrien ist das ein wichtiges Kapital.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 17.06.2013. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

17. Juni 2013

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