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Gegen den Trend

Das Stockholmer Forschungsinstitut SIPRI konstatiert eine klare Zunahme der deutschen Rüstungsproduktion bei gleichzeitigem Schrumpfen der Gesamt-Waffenherstellung weltweit. Der Ausstoß der einhundert größten Waffenschmieden überhaupt sei im Jahr 2011 um fünf Prozent gesunken, teilt SIPRI mit. 89 Prozent dieses Kriegsgeräts stammten aus den USA und Westeuropa; dabei kletterten deutsche Unternehmen auf der Weltrangliste der 100 größten Waffenhersteller kontinuierlich nach oben. Tatsächlich steigern deutsche Rüstungskonzerne ihre Exporte stetig, um schrumpfende Käufe der Bundeswehr auszugleichen. Immer größere Anteile gehen dabei in die Diktaturen der Arabischen Halbinsel, wo sich in diesen Tagen Dutzende deutsche Firmen auf der Rüstungsmesse IDEX mit ihren Produkten den schwerreichen Golf-Herrscherclans präsentieren. Tatkräftig intensiviert die deutsche Waffenindustrie zudem ihre Ausfuhren nach Asien, wo potenzielle Gegner der Volksrepublik China hochgerüstet werden - in Übereinstimmung mit der Berliner Außenpolitik.

Die größten Waffenschmieden weltweit

Wie das Stockholmer Forschungsinstitut SIPRI am gestrigen Montag berichtete, sind die Verkäufe der 100 größten Rüstungskonzerne weltweit im letzten Jahr deutlich gesunken. Mit einem Wert von 410 Milliarden US-Dollar liegen sie immer noch um mehr als 50 Prozent über dem Vergleichswert aus dem Jahr 2002, was den Rüstungsboom während des sogenannten Anti-Terror-Krieges deutlich widerspiegelt. Doch war 2011 nach der Stagnation von 2010 erstmals ein Rückgang um etwa fünf Prozent zu verzeichnen. SIPRI führt dies auf die Wirtschaftskrise in Europa und den USA und auf die aus ihr resultierenden Kürzungen auch in den jeweiligen nationalen Verteidigungsetats zurück. Dabei tätigten die 44 US-Unternehmen aus der "Top 100"-Liste rund 60 Prozent der Verkäufe, die 30 westeuropäischen "Top 100"-Firmen fast halb so viel (29 Prozent). Wenngleich Firmen aus der Volksrepublik China in der Statistik nicht enthalten sind, ist der Westen als Hauptproduzent von Kriegsgerät klar identifizierbar.SIPRI Top 100 arms sales decreased in 2011: companies pursue diverse strategies in response to austerity measures; www.sipri.org 18.02.2013. Dazu zählt auch die Friedensnobelpreis-Trägerin EU.

Auf dem Weg nach oben

Dabei konnte deren Zentralmacht Deutschland, wie die SIPRI-Daten zeigen, ihren Rüstungsanteil entgegen dem globalen Trend deutlich steigern. Nur leicht gestiegen sind die Militärgeschäfte des deutsch-französischen Rüstungskonzerns EADS, der Platz sieben der Weltrangliste halten konnte. (SIPRI führt nur Verkäufe und Dienstleistungen auf, die an militärische Kunden geliefert werden; zivile EADS-Geschäfte werden also nicht berücksichtigt.) Rheinmetall dagegen gelang mit einem Verkaufszuwachs von 320 Millionen US-Dollar ein Sprung nach vorn - von Platz 32 auf Platz 26. ThyssenKrupp konnte sich durch eine Steigerung um 740 Millionen Dollar von Platz 57 auf Platz 49 verbessern und überholte die Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann, die nur 150 Millionen US-Dollar Verkaufserlöse hinzugewann und auf Platz 54 verblieb. Diehl konnte seinen Absatz um rund 170 Millionen US-Dollar vergrößern und liegt jetzt auf Platz 60.

In den Export gehen

Möglich ist der Zuwachs der deutschen Rüstungsproduktion, weil die Konzernzentralen mit Hilfe der Bundesregierung die Ausfuhr von Kriegsgerät massiv steigern. Bereits vor zwei Jahren hieß es etwa bei Rheinmetall, man wolle mehr Waffen exportieren, um zu den 20 größten Rüstungsfirmen weltweit aufzuschließen.s. dazu Hoflieferant autoritärer Regime . Im Herbst 2011 erklärte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), man müsse, wolle man "diese Industrie erhalten", unbedingt stärker "in den Export gehen". Ihm sekundierten die Autoren einer Studie der IG Metall; sie stellten fest, es bleibe jetzt "für alle militärischen Anbieter nur der Weg, die Export-Anstrengungen auf dem weltweiten Rüstungsmarkt zu erhöhen".s. dazu Eine Frage des Überlebens . Vergangene Woche hat SIPRI bestätigt, dass die Bundesregierung den Forderungen inzwischen nachkommt. SIPRI-Rüstungsexperte Pieter Wezeman wird mit der Einschätzung zitiert: "Es scheint seit etwa zwei Jahren einen klaren Willen zur Lieferung größerer Rüstungsmengen aus Deutschland zu geben".Sipri sieht Kurswechsel in der deutschen Rüstungspolitik; www.badische-zeitung.de 12.02.2013. Wezeman bezieht sich dabei besonders auf den dramatischen Anstieg deutscher Rüstungsexporte auf die Arabische Halbinsel.

Inneren Aufruhr militärisch unterdrücken

Tatsächlich sind nicht nur in den letzten Monaten regelmäßig neue Milliarden-Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien und anderen Golfdiktaturen bekannt geworden.s. dazu Hegemonialkampf am Golf (II) , Ein Stabilitätsfaktor und Waffen für Diktatoren . Auch halten die Bemühungen der Rüstungsindustrie ungebrochen an, weitere Verkäufe in die Wege zu leiten. Jüngstes Beispiel ist die Rüstungsmesse IDEX in Abu Dhabi, die am letzten Sonntag begonnen hat und noch bis diesen Donnerstag andauert. IDEX richtet sich vor allem an Kunden in der arabischen Welt und ist äußerst begehrt, weil vor allem die schwerreichen Golfdiktaturen als zahlungskräftige Abnehmer deutschen Kriegsgeräts gelten - ganz ähnlich den Exportvorhaben in der außermilitärischen Security-Industrie.s. dazu Security made in Germany und Wie man Diktaturen stabilisiert . Die IDEX-Ausstellerliste verzeichnet aktuell insgesamt 69 deutsche Unternehmen von ADM Kiel bis ZF Friedrichshafen. Diehl Defence erklärt, mit einem "Produktspektrum" vertreten zu sein, das von Lenkflugkörpern über Großkalibermunition bis zu einem Luftkampf-Trainingssystem reicht. Rheinmetall präsentiert den Monarchen der Arabischen Halbinsel neben einfachen Gefechtsfahrzeugen den Pionierpanzer Kodiak. Cassidian, die EADS-Militärsparte, präsentiert diverse Drohnen, die ausdrücklich "Aufklärung" jeder Art ermöglichen - neben militärischen Überwachungsflügen auch zivile Observationen. Über die Ziele, welche die Herrscherclans aus den Golfdiktaturen verfolgen, kann SIPRI zufolge kein Zweifel bestehen: "Sie wollen auch militärisch in der Lage sein, jeden inneren Aufruhr zu unterdrücken", so wird SIPRI-Experte Wezeman zitiert.Sipri sieht Kurswechsel in der deutschen Rüstungspolitik; www.badische-zeitung.de 12.02.2013.

Konzernbereich Asien-Pazifik

Zusätzlich zu den Golfdiktaturen bemühen sich deutsche Rüstungsunternehmen zur Zeit vor allem um neue Kunden in Asien - unter potenziellen Gegnern der Volksrepublik China. Dass Berlin neue Waffenexporte dorthin genehmigen wird, kann als sicher gelten. Diehl Defence beispielsweise hat soeben auf der Aero India (6. bis 10. Februar) modernste Luft-Luft-Lenkflugkörper sowie neueste Seezielflugkörper vorgestellt. Rheinmetall wird sechs neue Schiffe der malaysischen Marine mit sechs elektrooptischen Systemen und zwölf Feuerleitradaren ausstatten. Die Bundesrepublik hat in der jüngsten Zeit begonnen, ihre militärpolitische Kooperation mit Malaysia auszubauen, und war zuletzt zweitgrößter Rüstungslieferant des Landes. Über die Zielsetzung heißt es bei Rheinmetall - in Übereinstimmung mit Plänen der Berliner Außenpolitiks. dazu Die Pax Pacifica (II) und Die Pax Pacifica (III) .: "Die neuen Schiffe Malaysias", die mit Rheinmetall-Technologie ausgerüstet werden, "sind von großer Bedeutung für die Sicherung der Seewege".Rheinmetall erfolgreich in Asien und Kuwait: Flugabwehr-Aufträge im Gesamtwert von rund 280 MioEUR; www.rheinmetall-defence.de 21.01.2013. Malaysia liegt an der Straße von Malakka, die unter anderem für den deutschen Ostasien-Handel, besonders aber für die chinesische Rohstoffversorgung von höchster Bedeutung ist. Die absehbare Steigerung deutscher Rüstungsexporte an asiatische Rivalen Chinas zeigt sich beispielhaft in einer Entscheidung, die Cassidian am 1. Februar der Öffentlichkeit mitgeteilt hat: Die Waffenschmiede hat einen neuen Management-Posten eingerichtet - denjenigen eines Konzernbereichsleiters für Asien-Pazifik.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 19.02.2013.

Fußnoten

Veröffentlicht am

20. Februar 2013

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