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Colonia Dignidad - Folteropfer fordern Gedenkstätte

In einem offenem Brief an die Bundesregierung beklagen ehemalige in der Deutschensiedlung Colonia Dignidad in Chile inhaftierte Gefangene die Langsamkeit der Justiz und die Straflosigkeit von Hartmut Hopp

Am Montag haben mehrere ehemalige politische Gefangene, die während der Pinochet-Diktatur in der Colonia Dignidad schweren Folterungen ausgesetzt wurden, in der Deutschen Botschaft und im Regierungspalast "La Moneda" einen offenen Brief abgegeben. In dem Schreiben, das an Angela Merkel und Sebastián Pinera (chilenischer Staatspräsident) gerichtet ist, begrüßen sie das vergangene Woche vom Obersten Gerichtshof in Chile gesprochene Urteil. Dieses hatte hohe Strafen gegen ehemalige Führungspersonen der Siedlung wegen in der Colonia Digniad an chilenischen Kindern begangenen systematischen sexuellen Missbrauchs verhängt. Unter den zu Gefängnisstrafen verurteilten befindet sich auch der 2011 nach Krefeld geflüchtete Arzt Hartmut Hopp.

Die Unterzeichner/-innen weisen jedoch darauf hin, dass bis zum heutigen Tage noch keine letztinstanzlichen Urteile zu den in der Colonia Dignidad in Zusammenarbeit mit der Militärdiktatur begangenen Menschenrechtsverbrechen vorliegen. In der Deutschensiedlung wurden während der Pinochet-Diktatur mehrere hundert Personen verhört und gefoltert. An die hundert Menschen sollen dort ermordet worden sein und gelten bis heute als Verschwundene.

Der Brief, der auch von verschiedenen renommierten chilenischen Menschenrechtsorganisationen und Gedenkstätten unterstützt wird, fordert von der chilenischen Regierung und Justiz eine Beschleunigung der teilweise seit Jahrzehnten anhängigen Gerichtsverfahren und die Verurteilung der Täter. Die Bundesrepublik wird aufgefordert, die Strafverfolgung Hartmut Hopps zügig voranzutreiben.

Des Weiteren werden beide Staaten aufgefordert, endlich das Leid der Opfer anzuerkennen und Erinnerungs- und Gedenkmaßnahmen zu finanzieren. "Es ist ein ständiger Schlag ins Gesicht der Opfer, zu sehen, wie Deutschland und Chile heute in der ehemaligen Colonia Dignidad Tourismusprojekte finanzieren, während die dort zu hunderten begangenen grausamen Morde und Folterungen tot geschwiegen werden", sagte Adriana Borquez anlässlich der Übergabe des Schreibens zu chilenischen Pressevertretern.

Adriana Bórquez war 1975 in die Colonia Dignidad gebracht und wochenlang verhört und gefoltert worden. Sie überlebte und berichtete 1977 vor dem Landgericht Bonn, wie auch drei weitere Unterzeichner des Schreibens, von den ihr angetanen Folterungen.

Die Colonia Dignidad hatte 1977 gegen Amnesty International und die Zeitschrift Stern geklagt. Diese sollten die Behauptung unterlassen, die Siedlung sei eine Folterstätte der chilenischen Geheimpolizei DINA. Das Verfahren vor dem Bonner Landgericht endete 1997 ohne eine Feststellung des Gerichts zur Hauptsache: Die Colonia Dignidad hatte in Chile derweil ihre juristische Person verloren und war nicht mehr verfahrensfähig. Das Verfahren war eines der längsten der bundesdeutschen Zivilrechtsgeschichte.

Das am Montag eingereichte Schreiben ist auch von Ernst Wolfgang Kneese unterzeichnet. Dieser war bereits 1966 aus der Siedlung geflohen und hatte den Behörden und der Presse von den dortigen sexuellen und körperlichen Misshandlungen berichtet. Als Gründer des Vereins Flügelschlag e.V. setzte sich Kneese danach jahrzehntelang für die Opfer der Siedlung ein.

Während für die nächsten Tage mit der Festnahme der kürzlich Verurteilten gerechnet wird, wurde in der ehemaligen Colonia Dignidad am vergangenen Wochenende eine große Versteigerung inszeniert. Neben persönlichen Utensilien Paul Schäfers wurde auch der Mercedes Hartmut Hopps sowie ein alter Krankenwagen der Siedlung versteigert. "In diesem Krankenwagen wurde ich zur Folter in die Colonia Dignidad gebracht. So wird mit dem Leid hunderter Gefolterter umgegangen", klagt Bórquez. Der Mercedes von Hartmut Hopp wurde laut chilenischen Medienberichten http://www.cooperativa.cl/noticias/pais/region-del-maule/remate-en-colonia-dignidad-incluye-maquina-de-afeitar-de-paul-schafer/2013-02-02/122550.html und http://noticias.terra.cl/nacional/policial/remate-en-ex-colonia-dignidad-3-millones-por-auto-de-hopp,f9248c2da91ac310VgnVCM20000099cceb0aRCRD.html für über 5.000 Euro verkauft. Ob und wie das Geld nun Hartmut Hopp zufließt ist unbekannt. Dieser bezieht laut deutschen Presseberichten in Krefeld Sozialhilfe, obwohl immer wieder die Vermutung geäußert wurde, dass er möglicherweise auf hohe Summen Schwarzgeld aus dem u.a. durch Waffenhandel und sklavenähnlicher Arbeit angehäuften Sektenvermögen Zugriff hat.

Der Rechtsvertreter vieler Opfer der Colonia Dignidad, Hernán Fernández, sagte nach Bekanntwerden des offenen Briefs:"Die in diesem Lager systematisch begangenen Menschenrechtsverbrechen wurden nicht nur während der Pinochet-Diktatur begangen, sie hielten auch nach Chiles Rückkehr zur Demokratie an und wurden erst vor wenigen Jahren abgestellt. Viele Opfer sind köperlich und seelisch schwer geschädigt. Sie sollten von Deutschland und Chile eine Entschädigung erhalten, denn beide Staaten haben sich durch ihre Handlungen und Unterlassungen schuldig gemacht. Eine umfassende Aufarbeitung sollten auch erinnerungspolitische Maßnahmen, wie den Bau einer Gedenkstätte umfassen."

Quelle: Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika - FDCL - Pressemitteilung vom 05.02.2013.

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Fußnoten

Veröffentlicht am

06. Februar 2013

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