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Kämpfe im Sahel

Anlässlich anhaltender bewaffneter Auseinandersetzungen in der Sahel-Region leitet Berlin Schritte zur Ausweitung seines Einflusses in dem Gebiet ein. Seit Mitte Januar eskalieren die Kämpfe zwischen staatlichen Repressionskräften und rebellierenden Tuareg zusehends. Insbesondere Mali ist von dieser Entwicklung betroffen. Im nördlichen Teil des Landes befinden sich mittlerweile über 170.000 Menschen auf der Flucht. Die Bundesregierung hat kürzlich eine "Sahel Task Force" eingerichtet, die sich mit humanitären, aber auch mit "politischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Fragestellungen für die Sahel-Region" befasst. Einflussreiche außenpolitische Think Tanks entwickeln derweil Strategien, wie Deutschland seine Position im Sahel gegenüber seinen westlichen Konkurrenten stärken kann. Man müsse sich, heißt es, gegenüber den USA und Frankreich, die unter starkem Rückgriff auf das Militär operierten, als "friedliche" Macht profilieren. Tatsächlich stützen sich auch die Berliner Strategien auf militärische Elemente - und auf eine enge Kooperation mit dem Militärregime in Algerien.

Eskalierende Kämpfe

Seit Mitte Januar eskalieren gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen rebellierenden Tuareg und den Streitkräften Malis. Unmittelbarer Auslöser des Konflikts ist die Rückkehr tausender Tuareg aus Libyen; dort standen sie seit Jahren in den Diensten der Armee, kämpften zuletzt auf Seiten Muammar al Gaddafis und mussten nach dem Ende des Bürgerkrieges in ihre Heimatregionen in der Sahelzone zurückkehren, in denen prekärste Lebensbedingungen herrschen. Insbesondere im Norden Malis kam es daraufhin zu massiven sozialen Unruhen; der seit 2009 notdürftig befriedete Konflikt zwischen der Regierung und den um größere Eigenständigkeit kämpfenden Tuareg flammte wieder auf. Im Norden Malis hat er mittlerweile das Ausmaß eines Bürgerkrieges angenommen. Mitte März brachten Rebellen dort einen Militärstützpunkt der Armee unter ihre Kontrolle. Aufgrund der Eskalation des Konflikts befinden sich Angaben der UNO zufolge inzwischen mehr als 170.000 Menschen auf der Flucht. Betroffen sind neben Mali vor allem Niger und Mauretanien.

Sahel Task Force

Deutschland sucht den Konflikt zu nutzen, um seinen Einfluss in der Sahel-Region auszuweiten. Anfang Februar richtete die Bundesregierung eine "Sahel Task Force" ein. Diese soll, abgesehen von sogenannter humanitärer Unterstützung, die "ressortübergreifende Abstimmung zu politischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Fragestellungen für die Sahel-Region" ermöglichen - ein klarer Hinweis darauf, dass Berlin umfassendere Aktivitäten, auch sogenannte sicherheitspolitische, in dem Gebiet plant.Bundesregierung intensiviert Hilfe für die Sahel-Zone; www.bmz.de 07.02.2012. Erste Gespräche auf Regierungsebene finden mittlerweile statt. Anfang März empfing Bundesaußenminister Guido Westerwelle seinen nigrischen Amtskollegen Mohamed Bazoum. Thema des Treffens war insbesondere die Situation in der Sahelzone. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es zwischenzeitlich, Besuche von Außenminister Westerwelle in Niger und Burkina Faso seien noch für diesen Monat geplant.Bundesregierung will drohende Hungerkatastrophe in der Sahelzone abwenden; www.bundestag.de 29.02.2012. Die Pressestelle des Ministeriums dementiert dies allerdings auf Anfrage.

Eine Folge des Libyen-Krieges

Zum politischen Vorgehen in der Sahel-Region haben sich inzwischen mehrfach Agenturen der bundesdeutschen Politikberatung zu Wort gemeldet. Zuletzt veröffentlichten die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Papiere, die sich mit der Situation im Sahel befassen und Handlungsempfehlungen für die Bundesregierung ausgeben. Beide Papiere äußern die Befürchtung, die Sahelzone könne sich zunehmend zu einem rechtsfreien Raum entwickeln. Als wesentliche Momente der politischen Destabilisierung werden dabei der sich verschärfende Konflikt zwischen den Tuareg und den jeweiligen Nationalstaaten, die gestiegene Nutzung der Region für den Schmuggel von Drogen nach Europa und auf die arabische Halbinsel sowie islamistischer Terrorismus ausgemacht. Zudem habe die Rückkehr der Tuareg-Kämpfer aus Libyen "die ohnehin fragilen Sahelstaaten weiter destabilisiert", heißt es bei der SWP, zumal in Libyen - eine Folge auch des NATO-Krieges - zahlreiche "Waffenarsenale unkontrolliert geöffnet" worden seien.Denis M. Tull/Wolfram Lacher: Die Folgen des Libyen-Konflikts für Afrika. Gräben zwischen der AU und dem Westen, Destabilisierung der Sahelzone, SWP-Studie März 2012. Die Autoren befürchten eine weitere Eskalation bewaffneter Konflikte auch in an den Sahel angrenzenden Staaten, etwa in Nigeria, Tschad oder Sudan. In Nigeria nehmen die gewalttätigen Auseinandersetzungen bereits zu.s. dazu Am Rande des Bürgerkriegs .

Militär: "Keine Lösung"

Wie die Autoren schreiben, könne sich Deutschland in der Region wohl am besten als stabilitäts- und friedensstiftende Kraft in Stellung bringen. Von geringem Erfolg seien die bisherigen Strategien der USA sowie der EU unter Führung Frankreichs gekrönt, die die Sahel-Region durch den Ausbau der Polizei- und Militärapparate sowie durch direkte militärische Intervention unter Kontrolle zu bringen suchten. Die Argumentation richtet sich gegen die regelmäßigen Militärmanöver unter US-FührungDie Vereinigten Staaten führen seit dem Jahr 2002 in wechselnden Formaten ("Pan Sahel Initiative", "Trans-Sahara Counterterrorism Partnership") Militärmanöver mit den Ländern der Sahara- und der Sahel-Region durch., aber auch gegen militärische Aktionen Frankreichs wie die Befreiung von Geiseln in Niger, die "die Spannungen zwischen den Ländern noch verschärft" hätten. "Militärisch" sei "die Sicherheitsfrage im Sahel aber nicht zu lösen", urteilt die Konrad-Adenauer-Stiftung, da schließlich "Armut, Arbeitslosigkeit und regelmäßige Hungersnöte" die Ursachen der sozialen Konflikte in den Sahel-Staaten seien.Maria Zandt: Im rechtsfreien Raum: Neue Sicherheitsherausforderungen im Sahel; www.kas.de 09.03.2012. Das Scheitern der US-amerikanischen und französischen Militärstrategien biete der Bundesrepublik die Möglichkeit, sich mit alternativen Konzepten zu profilieren. So sei etwa die "Demobilisierung oder Integration (aus Libyen, d. Red.) zurückgekehrter Kämpfer"Denis M. Tull/Wolfram Lacher: Die Folgen des Libyen-Konflikts für Afrika. Gräben zwischen der AU und dem Westen, Destabilisierung der Sahelzone, SWP-Studie März 2012. zu unterstützen, schlägt die SWP vor. Die Konrad-Adenauer-Stiftung plädiert im Falle Malis für Konjunkturprogramme, durch die "dem Terrorismus der Nährboden genommen werden" soll.Maria Zandt: Im rechtsfreien Raum: Neue Sicherheitsherausforderungen im Sahel; www.kas.de 09.03.2012.

Partner Algerien

Dabei solle vor allem die regionale Kooperation gestärkt werden, heißt es bei der SWP. Im Zentrum steht dabei für Berlin das autoritäre Regime Algeriens, das sich seit geraumer Zeit bemüht, in der Sahara- und Sahel-Region eine regionale Führungsrolle zu übernehmen. Den Gedanken, Berlin solle zur Kontrolle des Sahel enger mit Algier kooperieren, vertritt die SWP seit geraumer Zeit. So hieß es in einem Papier des Think Tanks bereits Anfang 2011, die bisherigen Interventionen des Westens zur Kontrolle der sozialen Unruhen im Sahel seien gescheitert; zu empfehlen sei nun eine Strategie, welche "die Staaten der Region zu intensiverer Kooperation" bewege. Die SWP wies damals ebenfalls Algerien eine führende Rolle zu; schließlich verfüge das Land über "die bei weitem größten Kapazitäten im Sicherheitsbereich" in der Region.Wolfram Lacher: Organisierte Kriminalität und Terrorismus im Sahel, SWP-Aktuell Januar 2011. In der Tat beherbergt Algier seit 2004 das Centre Africain d’Études et de Recherche sur le Terrorisme (CAERT), das für die AU die Terrorismusbekämpfung der afrikanischen Staaten koordinieren soll und zunächst von Berlin, seit 2007 von der EU unterstützt wird. Im April 2010 hat Algerien in Kooperation mit Mauretanien, Mali und Niger in der südalgerischen Stadt Tamanrasset ein Kommandozentrum eingerichtet, das die "sicherheitspolitische" Kooperation speziell in der Sahel-Region verstärken soll.

Militär: Teil der Lösung

Vor allem auf der Ebene der Repressionsapparate hat Deutschland in den letzten Jahren seine bilateralen Beziehungen zu Algier deutlich intensiviert. Ging es dabei zunächst um Marineprojektes. dazu Jederzeit aktivierbar und Kriegsgerät für Öl ., stehen inzwischen Vorhaben im Mittelpunkt, die nach Südalgerien reichen. Im Rahmen eines Treffens mit dem algerischen Staatspräsidenten Ende 2010 ließ Bundeskanzlerin Merkel verlauten, Berlin sei interessiert, sich "mit deutschen Firmen" an einem algerischen Grenzsicherungsprojekt zu beteiligen. Es diene der Unterbindung von "Flüchtlingsströmen".Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Staatspräsidenten der Demokratischen Volksrepublik Algerien Abdelaziz Bouteflika am 8. Dezember 2010 in Berlin. S. auch Nutznießer der Repression (II) . Anfang 2011 wurde bekannt, dass mehrere deutsche Firmen daran beteiligt sind, darunter die EADS-Tochter Cassidian, die auch in der saudischen Wüste die Hochrüstung der Grenzen durchführt. Zudem plant Berlin, die algerischen Streitkräfte in großem Maßstab mit deutschen Rüstungsgütern auszustatten; letztes Jahr wurde ein deutsch-algerisches Rüstungsprojekt im Volumen von zehn Milliarden Euro bekannt, das die Produktion unter anderem von Unimogs und Transportpanzern vom Typ Fuchs in Algerien vorsieht - für den Export in arabische Länder, vor allem aber für die algerische Armee (german-foreign-policy.com berichtete s. dazu Hoflieferant autoritärer Regime. ). Der Vorgang zeigt, dass auch die deutschen Aktivitäten, die in Abgrenzung gegenüber den USA und Frankreich mit algerischer Hilfe auf die Kontrolle der Sahara und der Sahel-Region zielen, trotz anderslautender Bekenntnisse klar militärisch ausgerichtet sind.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 21.03.2012.

Fußnoten

Veröffentlicht am

22. März 2012

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