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Bundesausschuss Friedensratschlag zum Standortkonzept für die Bundeswehr: De Maizières großes Ablenkungsmanöver

Es geht nicht mehr um Verteidigung, sondern um Intervention - "Armee im Einsatz" ist völkerrechts- und grundgesetzwidrig

Anlässlich der Bekanntgabe des neuen Standortkonzepts im Rahmen der Bundeswehrreform durch Verteidigungsminister Dr. Thomas de Maizière erklären Dr. Peter Strutynski und Lühr Henken vom Bundesausschuss Friedensratschlag in einer ersten Stellungnahme:

Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatte im Vorfeld seiner Standortentscheidung vier Kriterien genannt, die er anzulegen gedenke: 1. die "Funktionalität" der Standorte, 2. eine "Abwägung der Kosten", 3. die "Attraktivität" eines Standorts und 4. das Bestreben, "in der Fläche" präsent zu bleiben. Sieht man das heute vorgelegte Konzept an, so spielt nur noch das erste Kriterium eine Rolle: Es geht ausschließlich um die "Funktionalität" der Standorte, d.h. inwieweit tragen sie zur Steigerung der Schlagkraft der Bundeswehr bei.

So gesehen ist de Maizières Stationierungskonzept nur eine Fortführung des seit langem betriebenen Umbauplans der Bundeswehr von einer Verteidigungs- in eine Einsatzarmee. Nicht das einzige, wohl aber das bekannteste Merkmal dieser "Transformation" ist die noch unter zu Guttenberg verfügte Aussetzung der Wehrpflicht. Sie stand der Steigerung der Schlagkraft der Bundeswehr im Wege. Wehrpflichtige konnten im Ausland nicht eingesetzt werden. Folglich band die Wehrpflicht unnütz Ausbildungskapazität und Kasernenunterhalt.

Der eigentliche Sinn der Bundeswehrreform ist es, die Zahl der Soldaten, die für einen längeren Auslandseinsatz zur Verfügung stehen, von bisher etwa 7.000 auf mehr als 10.000 zu erhöhen. Immerhin eine Erhöhung um mehr als 40 Prozent. Allerdings ist diese Zahl noch steigerungsfähig, wenn sich die Regierung an der Einsatzhäufigkeit des einzelnen Soldaten Frankreichs und Großbritanniens orientiert. Dort sind 23.000 bzw. 30.000 dauerhaft einsetzbare Soldaten bei einer ähnlich großen Armee wir der deutschen möglich.

Ziel der Bundeswehrreform sind also nicht der Erhalt oder die Verbesserung der Landes- und Bündnisverteidigung. Künftig wird "vom Einsatz her gedacht". De Maizière will die Bundeswehr für mehr Auslandseinsätze rüsten. Räumlich konzentriert und gestärkt werden infanteristische Kräfte für den Kampfeinsatz im Ausland. Es wird eine "Division Schnelle Kräfte" gebildet. Ausbildungsziel ist deren "Befähigung zum Kampf".

Eingesetzt wird die Bundeswehr, wenn "nationale Interessen" das gebieten. Dabei spielt der "Katastrophenschutz", den etwa die Ministerpräsidenten Brandenburgs und Sachsen-Anhalts ins Feld führten, um bestimmte Standorte zu erhalten, ebenso wenig eine Rolle wie die Überlegung, strukturschwache Regionen zu "schonen", wie es vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann gefordert wurde. Bestimmt werden die "nationalen Interessen" vor allem von der Wirtschaft. Laut den neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien vom Mai d.J. gehört zu den deutschen Sicherheitsinteressen, "einen freien und ungehinderten Welthandel sowie den freien Zugang zur Hohen See und zu natürlichen Ressourcen zu ermöglichen." Entsprechend ausgebaut und verbessert werden die Transportkapazitäten und die "Verlegefähigkeit" der Truppen sowie die Bewaffnung und das Training zur effektiveren Niederschlagung von Aufständen oder zu deren Unterstützung.

Dazu sagen wir: Hier werden Wirtschaftskriege und völkerrechtswidrige Interventionen in fremden Ländern vorbereitet! Die sind ebenso grundgesetzwidrig wie die Ausrichtung der Bundeswehr auf Auslandseinsätze insgesamt. Denn der einschlägige Grundgesetzartikel lautet immer noch: "Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf" (Art. 87a)

Wir bekräftigen unsere Ablehnung von Auslandseinsätzen und fordern als ersten Schritt den sofortigen und bedingungslosen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.

Auch das Kostenargument dient dem Verteidigungsministerium nicht als Kriterium für sein Standortkonzept. Die neue Bundeswehrreform wurde der Öffentlichkeit zwar als Ressortbeitrag zur Schuldenbremse verkauft, doch von Einsparungen kann keine Rede sein. Die gesamten Militärausgaben werden 2012 unter Hinzuziehung der im Einzelplan 60 eingefügten Ausgabenposten für ausscheidendes Personal (1 Mrd. Euro) und für Freiwillige (bis zu 450 Mio.
Euro) sogar um fünf Prozent bis auf 33,1 Mrd. Euro anwachsen. Bis 2015 sind lediglich leichte Absenkungen geplant, die auf Einsparungen bei Betriebsausgaben zurückzuführen sind. Auch die von de Maizière angestrebte Stornierung zu viel bestellter Waffen wird nicht zu Minderausgaben führen, weil diese durch Ausgleichszahlungen kompensiert bzw. durch die Bestellung anderer Waffen - die für die Interventionsfähigkeit dringender gebraucht werden - ausgeglichen werden sollen. Deutschlands größter Rüstungskonzern Rheinmetall stellte deshalb zur eigenen Zufriedenheit fest: "Insofern findet die Entwicklung sinkender Budgets in einigen westlichen Industriestaaten in Deutschland keine Entsprechung." Profiteure der Reform sind die Rüstungskonzerne. Die Commerzbank prophezeit der Rheinmetall-Aktie mittelfristig einen Kursanstieg um 50 Prozent.

Wir finden es einen Skandal, dass der Rüstungshaushalt als einziges Ressort vom Sparen ausgenommen wird und bekräftigen unsere Forderung: Spart endlich an der Rüstung!

Das mit großem Trara angekündigte große Stationierungskonzept de Maizières erweist sich bei genauem Hinsehen als ein großes Ablenkungsmanöver: Statt Kostensenkung Mehrausgaben, statt Abrüstung Umrüstung der Bundeswehr zur Interventionsarmee. Als Bundesausschuss Friedensratschlag sagen wir dazu: Wenn die Bundeswehr zur "Verteidigung", wie es das Grundgesetz vorschreibt, nicht mehr gebraucht wird, ist sie abzuschaffen und nicht in eine Angriffsarmee umzuwandeln.

Quelle:  AG Friedensforschung - Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag vom 26.10.2011.

Veröffentlicht am

27. Oktober 2011

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