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Westerwelle weiß, was zu tun ist

Die Zivilgesellschaft muss sich in die Debatte zur deutschen Außenpolitik einmischen

Von Andreas Zumach

Der absehbare Sturz des libyschen Diktators Gaddafi ist eine historische Zäsur. Erstmals seit der Entlassung des Landes aus der italienischen Kolonialabhängigkeit haben seine inzwischen 6,5 Millionen BürgerInnen die Chance auf demokratische Selbstbestimmung. Für diese Ziele kämpfen, leiden und sterben auch immer mehr Menschen in Syrien, in Bahrein, Saudi-Arabien, Iran und den anderen Diktaturen Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens.

Die Freude über das Ende dieser Diktatur gilt unbeschadet aller berechtigten Kritik an der Kriegsführung der Nato. Und auch trotz der Zweifel an den Motiven mancher libyscher Oppositionskräfte sowie an ihrer Bereitschaft und Fähigkeit, sich zu einigen und das Land in eine gewaltfreie, demokratische und für alle seine BewohnerInnen wirtschaftlich auskömmliche Zukunft zu führen.

Was Deutschland allein und im Verbund mit seinen EU-Partnern zu diesem Ziel beitragen könnte, hat Außenminister Guido Westerwelle bereits Ende Februar in einer "programmatischen" Rede vor dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf vorgetragen. Entschiedene Unterstützung der demokratischen Kräfte in Libyen; Hilfe beim Aufbau rechtsstaatlicher Institutionen; Stipendien und Ausbildungsplätze für libysche Jugendliche; Investitionen deutscher Unternehmen, die dauerhafte Arbeitsplätze in Libyen schaffen und dem Land helfen, seine bislang fast ausschließlich auf den Export von Öl konzentrierte Volkswirtschaft zu diversifizieren.

Wird all das auch die Realität der künftigen deutschen Außen-, Handels-und Wirtschaftspolitik gegenüber Libyen bestimmen? Oder geht es - wie viele Kritiker mit Blick auf die am Krieg beteiligten Nato-Staaten argwöhnen - auch der deutschen Politik in erster Linie um mehr libysche Aufträge für deutsche Unternehmen, um profitablere Bedingungen bei der Ausbeutung des libyschen Öls und um die Umsetzung des milliardenschweren Solarenergieprojekts Desertec in der libyschen Wüste?

Eines Projekts, das zwar nach Wegfall der Diktatur nicht mehr zur Durchsetzung von Sicherheitsmaßnahmen gegen die nomadische Bevölkerung missbraucht werden kann, gegen das ansonsten aber bisherige Einwände weiterhin gültig sind.

Die bisherigen Erfahrungen mit der deutschen Unterstützung für die Demokratiekräfte in Tunesien sind nicht ermutigend. Und dies, obwohl die Lage in Tunesien vergleichsweise einfacher ist und es weniger handfeste wirtschaftliche Eigeninteressen Deutschlands und deutscher Unternehmen gibt als in Libyen. Doch gerade weil Libyen, gemessen an den harten wirtschaftlichen und (geostrategischen) Interessen, so viel bedeutsamer ist als Tunesien, hätte ein Scheitern der Demokratiebewegung in Libyen oder gar ein Bürgerkrieg weit schlimmere Auswirkungen.

Je stärker sich die Zivilgesellschaft an der Debatte über die Optionen der künftigen deutschen Politik gegenüber Libyen beteiligt, desto größer sind die Chancen, dass diese Politik auch wirklich den BürgerInnen dieses jetzt von der Diktatur befreiten Landes zugute kommt.

Quelle: taz - 22.08.2011. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Andreas Zumach.

Veröffentlicht am

23. August 2011

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