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Die ungleichen Kriege

Die UN unterstützen kurz nacheinander Waffengänge in Libyen und der Elfenbeinküste. Im ersten Fall fehlt der überhöhte Zweck, im anderen wird ein hehres Ziel verfolgt.

Von Karl Grobe

Nur zwei Hausnummern trennen die beiden Resolutionen des Sicherheitsrats zu Libyen und der Elfenbeinküste: 1973 und 1975. Die Nähe der Ziffern beweist nicht mehr, als dass beide Fragen annähernd gleichzeitig aufs Tapet gekommen sind. Ähnlichkeiten sind da, die Unterschiede zwischen beiden jedoch sind erheblich. Beide Male verweisen die Resolutionen auf ein bisher wenig gebrauchtes Schlagwort, die "Verantwortung, (Menschenleben, Menschenrechte) zu schützen". Sollte in Libyen "pragmatisch" durch Flugverbot ein zu befürchtendes Massaker verhindert werden, so geht es in der Elfenbeinküste darum, einer Wahl zur Gültigkeit zu verhelfen. Welche anderen Interessen noch für schützenswert erachtet werden, steht nicht drin.

Auf den ersten Eindruck entspricht die Resolution zur Elfenbeinküste ungefähr dem, was die Gründer der Vereinten Nationen sich vorgestellt haben: Sie hat den erklärten Zweck, einem demokratischen Vorgang zur Wirklichkeit zu verhelfen. Alassane Ouattara hat die Präsidentenwahl gewonnen, Laurent Gbagbo weigert sich mit Waffengewalt, die Niederlage einzugestehen. Gerecht und ungerecht, gut und böse -der Dualismus funkelt geradezu.

Wirklich? Übergriffe - so nennt man Verbrechen gegen Unbeteiligte scheinbar wertneutral - haben beide Parteien begangen; sie gestehen das auch. Wenn schon nicht die edle Reinheit, so ist doch immerhin die Legitimität zu verteidigen. Man darf sich freilich fragen, weshalb dies erst im April nötig wird; die Wahlen wurden im November entschieden, in Anwesenheit von nicht ganz waffenlosen UN-Vertretern (ihr Kontingent heißt Onuci). Seitdem eskaliert die Auseinandersetzung von Tag zu Tag. Beinahe bis zur Tiefe jenes Bürgerkriegs, der von 2002 bis 2007 das Land zwischen Nord und Süd zerriss und verheerte. Ouattara steht für den Norden, damals wie heute, Gbagbo für den Süden.

Ouattara steht indes auch in der Tradition jener neuen Aristokratie, die auf Staatsgründer Félix Houphouet-Boigny zurückgeht. Noch unter dessen Präsidentschaft hat Ouattara privatisieren lassen, unter anderem die Bahnen und die Stromnetze; französischen Konzernen hat er das Land geöffnet, Kakaoplantagenwirtschaft und fremde Investitionen damals gefördert.

Wenn ein solcher Globalisierungs-Akteur auch noch Wahlen gewinnt - um so besser für ihn und die Wertegemeinschaft. Mit seinen Meriten konnte Gbagbo (seine Klientel waren ursprünglich Kleinbauern, also Globalisierungs-Verlierer) nie mithalten. Und was er im achtjährigen Exil als linker Hochschullehrer an demokratischen Grundsätzen formulierte, war bald nach seinem Aufstieg zum Staatschef im Bürgerkrieg Makulatur geworden.

Im Kampf ums Präsidentenamt sind mehrere Konflikte enthalten, die zu beheben oder auch nur zu lindern den UN-Intervenienten kaum gelingen kann: Ethnisches (Nord gegen Süd), Religiöses (Islam, Christentum, Naturreligionen), Soziales (Oligarchien, Kleinbauern, Verelendete ohne Perspektive). Das sind ebenso viele Ansätze neuer Kämpfe. Die UN geben dafür keine Rezepte aus; es geht um den demokratischen Mantel, so fadenscheinig er bei näherem Hinsehen auch ist.

Der Libyen-Intervention fehlt auch dieser überhöhte Zweck. Die Intervention gegen Gaddafis Regime hat sich bald als Türöffner für ganz andere, weiterreichende Interventionen erwiesen. Abgesehen davon, dass die zu verhindernden Untaten am Boden hätten verübt werden können und daher nicht aus einem ruhiggestellten Luftraum zu unterbinden waren: Den Überläufern, die jetzt den Weg der Macht in Bengasi festlegen, lässt sich nur in wenigen Fällen demokratisches oder menschenrechtliches Grundverständnis unterstellen. Und sofern die Interessen der aktiven Betreiber nicht nach Öl riechen, geht doch das Aroma des Opportunismus von ihnen aus: Regierer in Washington, London, Paris, Riad und mancher anderen Metropole haben den libyschen Diktator hofiert, sobald er nette Worte der Entschuldigung für gewisse Attentate, den Verzicht auf Atomwaffen und der Garantie für Rechte an Bodenschätzen gefunden hatte. Bush, Blair, Sarkozy - sie haben ihn so nachdrücklich umworben, wie sie oder ihre Amtsnachfolger ihn nun verdammen. Araberfürsten ist rechtzeitig eingefallen, dass sie Gaddafi "schon immer" für eine revolutionäre Bedrohung gehalten haben. Gegen ihn geht’s nicht um ein Prinzip, weil da im Grunde keins ist, das sich als ehrenvoll und fleckenlos vorzeigen ließe.

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 05.04.2011. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

06. April 2011

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