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Kriegsstrategien (II)

Die NATO setzt ihre Expansion ungebrochen fort und weitet systematisch ihr weltumspannendes Bündnissystem für zukünftige Kriege aus. Dies geht aus dem neuen "Strategischen Konzept" des westlichen Militärpaktes hervor. Demnach wird die NATO ihre unterschiedlichen "Partnerschaften" intensivieren und erweitern, auf der Arabischen Halbinsel stärker Präsenz zeigen und ihre Kooperation mit Staaten Ostasiens sowie der Pazifikregion verdichten. Ziel des Vorhabens, dessen Umsetzung bereits in den 1990er Jahren begann, ist die dauerhafte Sicherstellung der globalen Vormacht des Westens.

Wie eine Analyse der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik bestätigt, kollidieren die NATO-Aktivitäten vor allem in Ostasien und der Pazifikregion mit Interessen der Volksrepublik China; eine Zunahme schon längst vorhandener Spannungen zwischen dem Westen und Beijing steht in Aussicht. Dabei kommt der Zusammenarbeit der NATO mit Moskau auch die Aufgabe zu, ein eventuelles Bündnis zwischen Russland und China zu verhindern.

Bündnissysteme

Die langfristige Expansion der NATO aus ihren transatlantischen Ursprüngen heraus begann schon in den 1990er Jahren - zu einem Zeitpunkt, da das westliche Kriegsbündnis sich anschickte, nach dem Ende der Systemkonfrontation zur globalen militärischen Ordnungsmacht aufzusteigen. Erste große Schritte waren die Kriege im ehemaligen Jugoslawien und in Afghanistan. Begleitet wurden sie vom Aufbau eines abgestuften Bündnissystems, der 1994 mit dem Programm "Partnership for Peace" (PfP) begann. Mehrere Staaten, die bald in dieses Kooperationsprogramm aufgenommen wurden, gehören der NATO heute als Vollmitglieder an. PfP umfasst aktuell 22 Länder, darunter formal neutrale europäische Staaten wie die Schweiz, Österreich und Irland, aber auch die Mitglieder der GUS. Über diese hat die NATO im Kaukasus und in Zentralasien Fuß gefasst. Dem "Mediterranean Dialogue", den das Kriegsbündnis 1994 startete, gehören heute sieben Länder Nordafrikas sowie des Nahen Ostens an. Im Rahmen der "Istanbul Cooperation Initiative", die die NATO 2004 gründete, arbeiten vier Staaten der Arabischen Halbinsel mit den westlichen Mächten zusammen. Auf diese Weise ist es dem Kriegspakt gelungen, sich solide im wohl wichtigsten Ressourcengebiet der Welt zu verankern.

Bis nach Ostasien

Das neue "Strategische Konzept"Active Engagement, Modern Defence. Strategic Concept For the Defence and Security of The Members of the North Atlantic Treaty. Adopted by Heads of State and Government in Lisbon., das die NATO am vergangenen Wochenende beschlossen hat, sieht den systematischen Ausbau der unterschiedlichen "Partnerschaften" vor. So soll die praktische Militärkooperation mit den "Partnership for Peace"-Staaten ausgeweitet werden. Außerdem will die NATO den "Mediterranean Dialogue" intensivieren; auch die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten wird nicht ausgeschlossen. Dasselbe gilt für die "Istanbul Cooperation Initiative", die ebenfalls erweitert werden soll. Man sei "bereit, politischen Dialog und praktische Kooperation mit allen Nationen und relevanten Organisationen" zu entwickeln, teilt das Kriegsbündnis über seine globalen Aspirationen mit. Diese gehen mittlerweile über den Mittleren Osten und Zentralasien hinaus und haben Ostasien und die Pazifikregion erreicht. Seit 2004 drängen vor allem die Vereinigten Staaten, die NATO solle sich auch im mittelbaren und unmittelbaren Umfeld der Volksrepublik China fest verankern und zu diesem Zweck lockere "Partnerschaften" mit dortigen Staaten aufbauen. Als hilfreich zum Ausbau der Beziehungen erwies sich der Krieg in Afghanistan, an dem zahlreiche Staaten weltweit - auch aus Ostasien und der Pazifikregion - an der Seite der NATO teilnehmen. Heute stuft die NATO Japan und Südkorea, aber auch Australien und Neuseeland als "Kontaktländer" ein.

Kriegskooperation

Exemplarisch hat kürzlich die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) die Kooperation der NATO mit Australien untersucht, die in den letzten Jahren ausgebaut wurde. Grundlage ist die jahrzehntelange enge militärpolitische Zusammenarbeit Australiens mit den USA, die im ANZUS-Abkommen ("Australia, New Zealand, United States Security Treaty") aus dem Jahr 1952 gründet. Im Jahr 2005 beschloss die australische Regierung, einen Militärattaché zum NATO-Hauptquartier zu entsenden. 2006 weiteten der australische Außenminister und der NATO-Generalsekretär den Ausbau der Beziehungen aus; das bekräftigte noch im selben Jahr der Rigaer NATO-Gipfel. Wenig später stockte Canberra die australischen Truppen in Afghanistan auf. Mit ungefähr 1.500 Soldaten gehören sie heute dort zu den größeren Kontingenten. Selbstverständlich haben die australischen Streitkräfte inzwischen auch an NATO-Manövern teilgenommen, um gemeinsame Operationen zu trainieren.

Sprungbrett Australien

Australien könne "das ideale Sprungbrett für die NATO sein, um im Südpazifik Fuß zu fassen", schreibt die SWP über die geostrategischen Hintergründe der Kooperation. Damit zielt das Bündnis auf eine stärkere Präsenz in einem Gebiet, in dem die aufsteigende Volksrepublik China an Einfluss gewinnt. Entsprechend notiert die SWP, Beijing - ohnehin schon "besorgt" wegen der zunehmenden US-Aktivitäten im Südpazifik - werde über das Eindringen der NATO in sein südliches Umfeld kaum erfreut sein. Allerdings schränken die Berliner Regierungsberater gleichzeitig ein, es sei nicht sicher, dass die Kooperation mit Australien zum Erfolg führe. So fehle diversen NATO-Mitgliedern die Kraft, ihre Einflussmaßnahmen bis zum Pazifik auszudehnen. Gleichzeitig schwanke Canberra noch zwischen unterschiedlichen strategischen Ansätzen. Während eine Fraktion - beheimatet vor allem in konservativen Milieus - gegenüber China auf Machtpolitik und Zusammenarbeit mit dem Westen setze, favorisiere eine zweite Fraktion - parteipolitisch vertreten insbesondere durch die Sozialdemokratie - die Einbindung der Volksrepublik mit Hilfe regionaler Kooperationen. Man werde sich daher um die Kooperation bemühen müssen.Henning Häder: Chances and Limits of NATO’s Global Partnership with Australia; SWP Working Paper FG6-WP No 7, November 2010.

China isolieren

Die strategische Rivalität zu China spielt auch eine Rolle im Zusammenhang mit derjenigen NATO-"Partnerschaft", die zuletzt die größte Medienaufmerksamkeit erhielt - die Kooperation mit Moskau. Die "NATO-Russland-Kooperation" sei "von strategischer Bedeutung", heißt es im neuen "Strategischen Konzept"; man wolle in Zukunft die "politischen Beratungen" ebenso ausbauen wie die "praktische Zusammenarbeit".Active Engagement, Modern Defence. Strategic Concept For the Defence and Security of The Members of the North Atlantic Treaty. Adopted by Heads of State and Government in Lisbon. Beobachter verweisen darauf, dass die NATO und Russland zuletzt ihre Kooperation im Afghanistankrieg ausgeweitet haben: Russland beteiligt sich heute an der Zerstörung afghanischer Mohnfelder und erlaubt außerdem dem westlichen Kriegsbündnis den Transport ausgewählten Kriegsgeräts mit der Eisenbahn über sein Territorium; inzwischen darf die NATO sogar gepanzerte Fahrzeuge über russischen Boden an den Hindukusch verbringen. Beijing ist davon indirekt betroffen, da es im Rahmen eines 2001 gegründeten Verteidigungsbündnisses - der "Shanghai Cooperation Organisation" (SCO) - militärpolitisch mit Russland kooperiert. Sollte es dem Westen gelingen, Russland stärker an die Seite der NATO zu ziehen, wäre China unter den großen Mächten isoliert.Der SCO gehören China, Kasachstan, Kirgisistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan an. Beobachterstatus haben Indien, Iran, die Mongolei und Pakistan, locker verbunden sind ihr Belarus, Turkmenistan, Afghanistan und Sri Lanka sowie die Staatenbündnisse ASEAN und GUS.

Partner, nicht Mitglied

Das Netzwerk abgestufter "Partnerschaften" ist für den Westen nicht nur nützlich, weil es zahlreiche Staaten weltweit - wenn auch in unterschiedlicher Intensität - an die NATO bindet. Da die "Partner" keine Mitglieder des Kriegsbündnisses sind, haben sie kein Mitbestimmungsrecht über strategische Entscheidungen und bleiben den Planungen des Westens letztlich ausgeliefert. Laut "Strategischem Konzept" gestehen ihnen die westlichen Machtpolitiker allenfalls gewisse Mitspracherechte bei der Entscheidung über einige operative Fragen bei konkreten Militäreinsätzen zu. Die geostrategischen Planspiele, die dem System der "Partnerschaften" zugrunde liegen, dienen damit systematisch der Stabilisierung der westlichen Hegemonie.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 23.11.2010.

Fußnoten

Veröffentlicht am

23. November 2010

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