Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Westsahara: Marokkanische Truppen zerstören Protest-Camp

Gewaltloser Kampf um Unabhängigkeit

Von Amy Goodman, 15.11.2010 - Democracy Now!

Am Samstag demonstrierten in Madrid Tausende gegen Marokkos jüngste gewaltsame Razzia in der Westsahara. In der vergangenen Woche überfielen marokkanische Sicherheitskräfte ein Camp, in dem sich 20 000 Sahrawis versammelt hatten, um mit Vehemenz gegen die marokkanische Besatzung zu protestieren. Marokko kündigte an, mehr als 100 Sahrawi-Aktivisten, die zu der Organisation des Camps beigetragen haben sollen, vor Militärtribunale zu stellen. Wir schalten nun nach Laayoune (in der Westsahara), um mit Peter Bouckaert von Human Rights Watch zu sprechen.

Zudem sind wir mit Professor Stephen Zunes verbunden. Er lehrt an der University of San Francisco und ist Mitverfasser des Buches: ‘Western Sahara: War, Nationalism, and Conflict Irresolution’

Unsere Gäste:

Peter Bouckeaert - Krisendirektor von Human Rights Watch. Er ist uns aus Laayoune/Westsahara zugeschaltet.

Stephen Zunes - Professor für Politik und internationale Studien und Leiter des Fachbereichs ‘Middle Eastern Studies’ an der University of San Francisco.

Amy Goodman: Am Samstag demonstrierten in Madrid Tausende gegen Marokkos jüngstes gewaltsames Vorgehen in der Westsahara. In der vergangenen Woche waren marokkanische Sicherheitskräfte gegen ein Camp vorgegangen, in dem rund 20 000 Sahrawis vehement gegen die marokkanische Besatzung protestiert hatten. Um das Protest-Camp aufzulösen, setzten die marokkanischen Truppen Wasserwerfer, Tränengas und Schlagstöcke ein. Sie feuerten auch Gummigeschosse ab. Dutzende Demonstranten wurden verletzt. Dieser Überfall beendete den - so heißt es -, größten Protest in der Westsahara seit dem Abzug der Spanier vor 35 Jahren. Marokko kündigt an, mehr als hundert der Sahrawi-Aktivisten, die an der Vorbereitung des Camps beteiligt gewesen sein sollen, vor Militärgerichte zu stellen.

(Einblendung der Demo in Madrid am Samstag, dem 13. November 2010:)

Javier Bardem: Ich bin heute hier, weil ich einfach zeigen will, dass ich das sahrawische Volk unterstütze und die Gewalt durch die marokkanische Regierung verurteile. Ich spreche hier von Diktatur. (Und) wir müssen für die Unabhängigkeit des sahrawischen Volkes kämpfen, weil es eben ihr Land ist. Doch heute ist das gesamte Territorium von Marokko besetzt - mit Unterstützung der UNO, der USA, Frankreichs, Spaniens und vieler anderer Staaten.

Demonstrant (übersetzt): Ich bin hier, um gegen die Ungerechtigkeiten in meinem Land zu demonstrieren. Es ist sehr traurig zu sehen, dass die, die uns regieren, Tyrannen und Terroristen unterstützen.

Willy Meyer-Pleite (übersetzt): Ich heiße Willy Meyer. Ich sitze für die ‘Vereinigte Linkspartei Spaniens’ (United Left Party of Spain) im Europaparlament. Außerdem vertrete ich die ‘Kommunistische Partei’ auf internationaler Ebene. Ich bin hier, um meine Solidarität mit dem Volk der Sahrawi zu bekunden.

Guiliermo Toledo: Mein Name ist Toledo. Ich bin Schauspieler - ein spanischer Schauspieler. Ich bin zu der Demonstration gekommen, um gegen die Situation dort (in der Westsahara) zu protestieren und gegen das, was die Regierungen auf der ganzen Welt dagegen tun - nämlich gar nichts.

Embarka Bachir (übersetzt): Ich heiße Embarka Bachir, und ich komme aus der Westsahara. Ich bin hier, um gegen die Ungerechtigkeit zu demonstrieren und die Unabhängigkeit des Volkes der Westsahara zu unterstützen. Wir sind hierhergekommen, um die spanische Regierung und die USA zu bitten: Helfen Sie uns, die Ungerechtigkeiten Marokkos gegenüber unserem Volk zu beenden. Sie (die Marokkaner) begehen furchtbare Ungerechtigkeiten. Sie quälen das sahrawische Volk. (Ende)

Amy Goodman: Das waren einige der vielen tausend Stimmen auf der Demo in Madrid, die am Samstag stattfand. Mein besonderer Dank gilt Maria Carrion (Produzentin von Democracy Now!) für ihren Filmbeitrag.

Um mehr zu erfahren, schalten wir nun in die Westsahara, um mit Peter Bouckaert, dem Krisendirektor von Human Rights Watch, zu sprechen. Er ist uns per Telefon aus Laayoune zugeschaltet.
Willkommen bei Democracy Now!. Was sind die neuesten Nachrichten? Bitte berücksichtigen Sie, dass die meisten Menschen in den USA und an anderen Orten der Welt, nicht wissen, dass es diesen Konflikt überhaupt gibt. Bitte liefern Sie uns den Kontext gleich mit.

Peter Bouckaert: Ja. In den vergangenen Monaten gab es ein Protest-Camp - vor der Großstadt El-Aaiún. Tausende Menschen aus der Westsahara fanden sich dort ein. In den 70ger Jahren war die Westsahara von Marokko annektiert worden. Die Menschen (im Camp) protestierten gegen ihre Lebensbedingungen, gegen die hohe Arbeitslosigkeit und die sozialen Bedingungen. Am vergangenen Montag kamen die marokkanischen Behörden - also, Sicherheitskräfte - in das Camp und lösten es im Grunde auf. Daraufhin kam es im Camp - aber auch im benachbarten El-Aaiún - zu äußerst heftigen Zusammenstößen. El-Aaiún ist der Verwaltungssitz der Westsahara.

Amy Goodman: Nur sehr wenige Journalisten sind vor Ort. Wie können Sie unter solchen Bedingungen arbeiten - als Direktor von Human Rights Watch?

Peter Bouckaert: Nun, ich wurde am Flughafen zweimal abgewiesen - als wir versuchten, nach El-Aaiún zu reisen. Ich finde es traurig, dass die marokkanischen Behörden viele Journalisten immer noch daran hindern, nach (unverständlich) zu gelangen, denn das hat bereits zu einem Informationsdefizit bezüglich der tatsächlichen Ereignisse geführt und zu (unverständlich) einer Wut in der internationalen Gemeinschaft - anstatt, dass man sich informiert hätte, was hier unten wirklich vor sich geht.

Amy Goodman: Was fordern die Menschen in der Westsahara, Peter Bouckaert?

Peter Bouckaert: Nun, offensichtlich gibt es eine Reihe von Stimmen. Viele Menschen in der Westsahara sind der Meinung, Marokko halte ihr Land besetzt. Sie wollen - Einige - wollen die Unabhängigkeit. Andere wollen mehr Autonomie. Doch bei diesem Prozess (Camp) ging es vor allem um die sozialen Bedingungen, unter denen die Menschen hier leben, um die äußerst hohe Arbeitslosigkeit und um ein generelles Klima der Repression, das viele so empfinden. Seit der Zerschlagung des Protest-Camps ist es zu einer Verhaftungswelle gekommen - und zu sehr schwerwiegenden Misshandlungen in der Haft.

Amy Goodman: Welcher Art sind diese Misshandlungen, Peter Bouckaert?

Peter Bouckaert: Nun, wir haben mit Leuten - Männern und Frauen - gesprochen, die festgenommen und später wieder freigelassen wurden. Sie waren während ihrer Haft massiv geschlagen worden. Einigen der Männer wurde mit Vergewaltigung gedroht. Sie haben uns ihre Hämatome gezeigt - von den brutalen Schlägen. Man verlangte von ihnen, sie sollten gestehen, dass sie an den gewaltsamen Ausschreitungen bzw. an der Tötung von Sicherheitskräften beteiligt gewesen seien. Oder sie sollten zugeben, dass algerische Sicherheitskräften oder andere ausländische Elemente mit im Spiel gewesen seien. Offensichtlich hat eine Art Folter stattgefunden - was zu sehr unzuverlässigen Geständnissen führt. Wir fordern daher die marokkanischen Behörden auf, mit den Misshandlungen in der Haft aufzuhören und die Gefangenen mit Respekt zu behandeln und sicherzustellen, dass sie faire Verhandlungen bekommen werden.

Amy Goodman: Wenn die Menschen (in der Westsahara) von den Massenprotesten - zum Beispiel in Madrid - hören, wenn sie erfahren, dass dort am Wochenende Tausende für sie demonstriert haben, welchen Eindruck wird das auf die Menschen machen?

Peter Bouckaert: Nun, ich habe die Nachrichtenberichte im Haus einer Familie in der Westsahara mitverfolgt. Offensichtlich ermutigt es sie sehr, dass es diese internationale Unterstützung gibt.
Meiner Meinung nach ist es aber wichtig, dass der internationale Protest auf akkurater Information beruht, dass mit Informationen kritisch umgegangen wird. Es ist noch immer nicht klar, wie viele Zivilisten getötet wurden. Bestimmt sind einige übertriebene Behauptungen im Umlauf, was die Zahl der getöteten Zivilisten angeht. Unser Schwerpunkt liegt derzeit auf den Misshandlungen, denen die Menschen in den Verhaftungszentren ausgesetzt sind (ein zweiter Schwerpunkt ist der) Zugang zur Westsahara. Journalisten und internationale Ermittler sollten Zugang zu der Stadt El-Aaiún erhalten, damit sie dort hinreisen und sich vor Ort ein Bild von der Wirklichkeit machen können und von dort aus berichten können. Auf diese Weise könnte Druck erzeugt werden - um die aktuelle Repression und die Verhaftungen und Misshandlungen zu stoppen.

Amy Goodman: Es ist nun genau ein Jahr her, seit die sahrawische Menschenrechtsaktivistin Aminatou Haidar ihren großen Hungerstrreik auf dem Flughafen der Kanarischen Inseln startete. Sie lebte 32 Jahre lang auf diesem Flughafengelände, vegetierte vor sich hin - weil Marokko ihr die Einreise nach Laayoune verweigerte. Sie ist derzeit verreist, um sich medizinisch behandeln zu lassen. In den nächsten Tagen wird sie jedoch versuchen, wieder nach Laayoune zurückkehren - an den Ort, an dem sie sich jetzt befinden, Peter. Die Stadt Laayoune ist inzwischen in der Hand von Polizei und Armee. Keine Journalisten und nur sehr wenige Beobachter dürfen noch hinein. Frau Haidar befürchtet, dass man sie entweder nicht hineinlassen wird oder dass man sie verhaftet. Peter Bouckaert, was meinen Sie?

Peter Bouckaert: Nun, ich selbst wurde am Flughafen abgewiesen - zweimal. Die marokkanischen Behörden behaupteten, es gäbe ein technisches Problem mit meinem Ticket, aber es war offensichtlich, dass Geheimdienstagenten am Flughafen der Fluggesellschaft verboten hatten, mich an Bord zu nehmen. Ich habe gesehen, dass viele spanische und marokkanische Journalisten abgewiesen wurden. Dass es tatsächlich Fälle von Personen gibt, denen der Zugang verweigert wird, ist klar. Ich fürchte, dass sie (Frau Haidar) auch zurückgewiesen wird oder zumindest einige Schwierigkeiten auf sich nehmen muss, bis sie wieder nach El-Aaiún kann.

Amy Goodman: Was hat es mit den Gerichtsverfahren auf sich? Was wird dabei herauskommen - was glauben Sie? Marokko hat angekündigt, über 100 sahrawische Aktivisten vor ein Militärgericht zu stellen.

Peter Bouckaert: Nun, wir haben die Information erhalten, dass über 100 Aktivisten in einem Zivilverfahren angeklagt werden sollen. Mindestens 6 Aktivisten - hochrangige Führer - wurden in ein Militärgericht in Rabat (Marokko) gebracht. Weil es während der Haft zu Folterungen und Misshandlungen gekommen ist, sind wir sehr besorgt, ob diese Verfahren wirklich fair ablaufen werden. Wir haben uns mit den Anwälten der verhafteten Aktivisten getroffen. Es war ihnen nicht möglich, ihre Mandanten zu sehen, auch den Familien der Verhafteten nicht. Wir versuchen daher, uns mit Behördenvertretern zu treffen - um bessere Besuchsbedingungen für die Verhafteten, aber auch faire Verfahren zu erreichen und um zu erreichen, dass sie nicht mehr misshandelt werden - wirklich schwer misshandelt werden.

Amy Goodman: Peter Bouckaert, vielen Dank, dass Sie uns zugeschaltet waren. Er ist der Krisendirektor von Human Rights Watch. Bouckaert war uns live aus Laayoune in der Westsahara zugeschaltet.

Nun ist uns Stephen Zunes zugeschaltet. Er ist Professor für Politik und internationale Studien und Leiter des Fachbereichs ‘Middle Eastern Studies’ an der University of San Francisco. Er ist Mitautor des Buches: ‘Westsahara: War, Nationalism, and Conflict Irresolution’.

Professor Zunes, danke, dass Sie bei uns sind. Fangen Sie einfach mit dem Kontext an. Wie ich schon zu Peter Bouckaert gesagt habe, wissen die meisten Leute gar nicht, dass es diesen Ort (Westsahara) überhaupt gibt und dass dort ein Konflikt und eine Besatzung stattfindet.

Stephen Zunes: Nun, wir haben es mit einer Situation zu tun, die frappierend an Osttimor erinnert: Eine Region wird von einer eher kleinen Kolonialmacht (Portugal bzw. Spanien) kolonialisiert. Gerade als sich die Kolonialzeit ihrem Ende zuneigt, kommt der große Nachbar (Indonesien bzw. Marokko) und besetzt das Land. Der UN-Sicherheitsrat und der Internationale Gerichtshof entscheiden, die Machtübernahme sei illegal und fordern den Rückzug (in diesem Falle) Marokkos. Aber wie damals Indonesien so hatte auch Marokko ein paar mächtige Freunde im UN-Sicherheitsrat - darunter die Amerika, das die Weltorganisationen daran hinderte, ihre Mandate durchzusetzen. Der Einmarsch in die Westsahara erfolgte im November 1975 - sechs Wochen vor dem Einmarsch Indonesiens in Osttimor. Seit mehr als 35 Jahren leiden die Menschen der Westsahara nun schon unter der Militärokkupation einer ausländischen Macht.

In den ersten 15 Jahren fand ein bewaffneter Kampf statt, unter Führung der Polisario Front. 1991 wurde ein Waffenstillstand geschlossen. Eine von den Vereinten Nationen überwachte Volksbefragung sollte über die Zukunft des Territoriums entscheiden. Doch die Marokkaner erkannten, dass sie bei einem solchen Referendum den Kürzeren ziehen würden und verhinderten es. Und wieder dieselbe Situation: Durch den Einfluss der USA, Frankreichs und des UN-Sicherheitsrates wurden der UNO die Hände gebunden. Sie konnte ihr Mandat (Referendum) nicht umsetzen.

Vor einigen Jahren starteten die Menschen in der Westsahara eine Kampagne, die sie "Intifada Istiqlal" nannten: ‘Intifada für die Unabhängigkeit’. Dieser gewaltlose Widerstand ist eine überwältigende Sache. Sie griffen auf klassische Strategien und Techniken des gewaltfreien Widerstands zurück: Streiks, Boykotte, Proteste - solche Dinge eben. Doch die marokkanische Seite reagierte mit weiterer Repression. So gesehen haben wir es mit einer ironischen Situation zu tun. Hier haben wir eine Bewegung, die ursprünglich… ihre prominenteste Figur an der Spitze ist eine Frau (Aminatou Haidar) - in einem arabischen, muslimischen Land, das gewaltlos für Demokratie und die Rechte der Frauen eintritt. Das ist genau die Art Nation, die dem Westen angeblich vorschwebt - in der arabischen und islamischen Welt. Dennoch unterstützen wir hier, im Westen, die autokratische marokkanische Monarchie und tragen dazu bei, dass der gewaltlose Widerstand zertreten wird.

Amy Goodman: Beschreiben Sie uns, was derzeit bei der UNO passiert. Es finden Gespräche statt. Wer ist die ‘Polisario’?

Stephen Zunes: Nun, die Polisario ist die anerkannte Regierung der Westsahara. Die ‘Arabische und Demokratische Sahrawische Republik’ (Sahrawi Arab Democractic Republic), die kurz nach dem Abzug der spanischen Kolonialherren ausgerufen wurde, wird heute von mehr als 70 Nationen anerkannt. Die Republik ist Vollmitglied der Afrikanischen Union. Diese beteiligt sich auch an den Friedensgesprächen mit Marokko. Die Polisario drängt Marokko, eine faire und freie Volksabstimmung zu dulden. Die Menschen sollen wählen können, ob sie die Unabhängigkeit wollen oder die Integration in den Staat Marokko. Letzteres wollen die UNO und der Weltgerichtshof. Die Marokkaner haben die französische Regierung, die ihnen den Rücken stärkt (und unter Bush auch die amerikanische Regierung, aber die Obama-Administration ist da ein wenig ambivalenter). Und so drängt Marokko auf ein so genanntes ‘Autonomieabkommen’, das den Menschen der Westsahara ein sehr geringes Maß an Autonomie zugestehen würde. Im Grunde behielte Marokko weiterhin die Macht. Die Option ‘Unabhängigkeit’ will Marokko erst gar nicht in Erwägung ziehen. Dabei wäre dies die rechtliche Voraussetzung für eine Selbstbestimmung, die diesen Namen verdient.

Amy Goodman: Warum konnte die Besatzung so lange überdauern?

Stephen Zunes: Nun, um wieder auf die Parallele zu Osttimor zurückzukommen: In rechtlicher und moralischer Hinsicht - in fast jeder Hinsicht - haben die Menschen der Westsahara ein Recht auf Selbstbestimmung. Doch Marokko hat die Gewehre und die Besatzungstruppen. Wissen Sie, ich war schon in 60 Ländern dieser Welt - auch in Indonesien unter Suharto und im Irak unter Saddam - aber ich habe noch nie einen so schlimmen Polizeistaat erlebt wie den in der besetzten Westsahara. Der Hauptgrund liegt in der kontinuierlichen Unterstützung Marokkos durch Frankreich und die USA. Ehrlich gesagt, denke ich, dass es für die Westsahara nur eine einzige Hoffnung gibt, nämlich das, was in Osttimor geschehen ist: Die globale Gesellschaft müsste zusammenrücken und eine internationale Solidaritätsbewegung formen, die die westlichen Regierungen beschämen würde, weil sie Marokko noch immer den Rücken stärken. (Diese Bewegung sollte darauf drängen), dass die bedingungslose Unterstützung aufhört, so dass es endlich zu einem echten Akt der Selbstbestimmung kommen kann.

Amy Goodman: Noch eine Frage zu den militärischen Beziehungen zwischen Marokko und den USA: Was genau könnte daraus werden?

Stephen Zunes: Nun, zwischen Marokko und den USA bestehen seit Jahren sehr enge Beziehungen. Während der Zeit des Kalten Krieges wurde die marokkanische Monarchie als Bollwerk gegen den Kommunismus und gegen den linkslastigen arabischen Nationalismus gewertet. In neuerer Zeit wird Marokko von Amerika als Verbündeter im so genannten ‘Krieg gegen den Terror’ gesehen. Die Polisario hatte ihren Kampf schon fast gewonnen, als die USA, unter der Regierung Reagan, Marokko massive Militärhilfe zukommen ließen, inklusive des Einsatzes amerikanischer Special Forces vor Ort. Der Krieg bekam dadurch eine neue Wendung. Bis 1981 hatten sie (die Polisario) 85 Prozent des Landes befreit, doch mit Unterstützung der USA und Frankreichs gelang es Marokko, die Polisario zu schlagen. Heute halten die Marokkaner 80 Prozent des Landes besetzt.

Die Unterstützung auf finanzieller, diplomatischer und militärischer Ebene hat es Marokko in der Folgezeit ermöglicht, seine Besatzungstruppen das Territorium Westsahara streng bewachen zu lassen. Selbst gewaltloser Protest wird unterdrückt. Was das Protest-Camp angeht, so gab es die Hoffnung…. sie wussten, wenn sie das Thema ‘Unabhängigkeit’ zur Sprache brächten, würde es zu harten, repressiven Maßnahmen kommen. Also beschränkten sie sich bei ihren Forderungen auf dringliche soziale und ökonomische Themen. Doch anscheinend war selbst das den Marokkanern schon zuviel. In der vergangenen Woche war zu beobachten, wie die brutale Repression immer weiter zunahm.

Amy Goodman: Stephen Zunes, danke, dass Sie bei uns waren. Er ist Professor für Politik und internationale Studien und Leiter des Fachbereichs ‘Middle Eastern Studies’ an der University of San Francisco. Er ist Mitautor des aktuellen Buches: ‘Western Sahara: War, Nationalism, and Conflict Irresolution’.

Amy Goodman ist Moderatorin des TV- und Radioprogramms ‘Democracy Now!’, das aus rund 500 Stationen in Nordamerika täglich/stündlich internationale Nachrichten sendet.

Quelle: ZNet Deutschland vom 19.11.2010. Originalartikel: Moroccan Forces Raid Protest Camp in Western Sahara, Thousands Demostrate in Madrid Against Crackdown .

Veröffentlicht am

20. November 2010

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von