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Kampf um Rohstoffe (II)

Mit einer eigens erstellten "Rohstoffstrategie" rüstet sich Berlin für den Kampf um die mineralischen Ressourcen der Erde. Das Dokument, das am letzten Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, sieht zahlreiche Maßnahmen vor, die künftig die Versorgung der deutschen High-Tech-Industrie mit allen benötigten Grundmaterialien sicherstellen sollen. Dazu zählt der Aufbau sogenannter Rohstoffpartnerschaften: Bedeutende Ressourcenstaaten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas sollen mit Mitteln der deutschen "Entwicklungspolitik" dazu veranlasst werden, sich als Lieferanten an Deutschland zu binden.

Mit einem "Screening" hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) kürzlich Listen von Staaten erstellt, die wegen der Bedeutung ihrer Bodenschätze für die deutsche Industrie als "Rohstoffpartnerländer" in Frage kommen. Zu ihnen gehören die Demokratische Republik Kongo, Zimbabwe, Indonesien und Brasilien. Für den morgigen Dienstag hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) seinen dritten "Rohstoffkongress" angekündigt, auf dem die Staatssekretäre der beteiligten Ministerien die Berliner Pläne mit führenden Funktionären deutscher Konzerne und internationaler Organisationen besprechen werden. Behilflich sein soll auch die Welthandelsorganisation.

Den Zugriff sichern

Die deutsche Wirtschaft und vor allem der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) drängen bereits seit Jahren auf entschiedene politische Aktivitäten zur Sicherung des bevorzugten Zugriffs auf Rohstoffe in aller Welt.Dabei geht es keineswegs nur um Energieressourcen, sondern auch um nichtenergetische Bodenschätze, wie sie insbesondere deutsche High-Tech-Firmen benötigen. "Eine zunehmende Verknappung würde unsere gesamte industrielle Basis gefährden", ist in einem Pressebeitrag zu lesen, den der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, und die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Katherina Reiche, letzte Woche publizierten.Für eine deutsche Rohstoffstrategie; Frankfurter Allgemeine Zeitung 20.10.2010. Der Text erschien anlässlich der Verabschiedung der "Rohstoffstrategie" durch das Bundeskabinett. Er schlägt - ganz wie diese - verschiedene Maßnahmen vor, mit deren Hilfe die künftige Verfügbarkeit der von der Industrie benötigten Bodenschätze gesichert werden soll. Eine gewisse Rolle dabei spielen Bemühungen, den Ressourcenverbrauch zu senken, sowie Anstrengungen, verarbeitete Rohstoffe nach ihrer Vernutzung wieder aufzubereiten (Recycling); deshalb ist das Bundesumweltministerium involviert.

Die neue Rohstoffstrategie

Maßgebliche Bedeutung kommt in der Rohstoffstrategie der Bundesregierung der Sicherung des Zugriffs auf neue Ressourcen in aller Welt zu. Dazu sollen die klassischen Instrumente deutscher Außenwirtschaftsförderung stärker als bisher genutzt werden - so zum Beispiel das Netzwerk der Außenhandelskammern und Staatsgarantien für Auslandsinvestitionen. Auch soll die EU deutlich intensiver eingespannt werden, um die "Rohstoffsicherung" zu verbessern.Bundesregierung bringt neue Rohstoffstrategie auf den Weg; www.bmwi.de 20.10.2010. Bereits im Mai hat die Bundesagentur für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover mit der Einrichtung einer "Rohstoffagentur" begonnen, die Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle offiziell am 4. Oktober gegründet hat. Ihr Aufbau soll 2013 oder 2014 abgeschlossen sein. Ihre Aufgabe besteht darin, die globale Verfügbarkeit von Rohstoffen systematisch zu ermitteln und deutschen Firmen, die Bedarf anmelden, beratend zur Seite zu stehen. Zusätzlich sieht die Rohstoffstrategie vor, mit rohstoffreichen Staaten "bilaterale Rohstoffpartnerschaften" aufzubauen. Dazu sollen Aktivitäten der drei FDP-Ministerien für Äußeres, Entwicklung und Wirtschaft in Zukunft "sehr viel enger verzahnt" werdenBundesregierung bringt neue Rohstoffstrategie auf den Weg; www.bmwi.de 20.10.2010. - zum Nutzen der Versorgung Deutschlands mit Bodenschätzen.

Rohstoffpartnerschaften

Welche Länder für die geplanten "Rohstoffpartnerschaften" in Betracht kommen, wird gegenwärtig in Berlin diskutiert. Kürzlich hat die soeben offiziell gegründete Deutsche Rohstoffagentur in der BGR eine Analyse veröffentlicht, die als Entscheidungshilfe für diese Frage konzipiert ist. Ziel des "Länderscreenings" der Rohstoffagentur ist es, "ein Ranking der Länder" ganz Afrikas, Asiens und Südamerikas "in Bezug auf ihre rohstoffwirtschaftliche Bedeutung für die deutsche Wirtschaft zu erstellen". "Bewertungsgrundlagen" sind Rohstoffproduktion und Rohstoffpotenzial der jeweiligen Staaten, der Nutzen und die Bedeutung ihrer Ressourcen für die deutsche Industrie sowie deren bisherige dortige Aktivitäten. Zur besseren Einschätzung der Frage, unter welchen Umständen in den evaluierten Staaten der Zugriff auf die Rohstoffe erfolgen kann, errechnet die Rohstoffagentur für die zehn "im Ranking bestplatzierten Länder" der jeweiligen Weltregionen einen Koeffizienten. Er beziffert ein "Länderrisiko" - mit einem Wert zwischen -2,5 ("negativ") und +2,5 ("optimal").Rohstoffwirtschaftliche Bewertung der Länder Afrikas, Asiens, der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) mit Georgien und Südamerikas im Hinblick auf die Bedeutung für Deutschland, September 2010.

Länder-"Rankings"

Sollte die Bundesregierung den Empfehlungen der Deutschen Rohstoffagentur entsprechen, stehen für die Berliner Außenpolitik womöglich einige Kurskorrekturen an. Im Afrika-"Ranking" etwa ist zwar der erste Platz mit großem Abstand einem engen Partner Deutschlands vorbehalten - nämlich Südafrika -, schon der zweite Platz aber entfällt mit Zimbabwe auf ein Land, dessen Regierung von Deutschland seit gut zehn Jahren mit aller Macht bekämpft wird. Den dritten Platz hält die Demokratische Republik Kongo - ein Staat, in dem die Bundesrepublik über keinerlei besonderen Einfluss verfügt. In Asien liegt China, der große Rivale des Westens, mit deutlichem Abstand auf Platz eins, während die prowestlich orientierten Staaten Indien, Indonesien sowie die Philippinen abgeschlagen folgen. Günstig sieht es für Berlin in den Ländern der GUS aus - dort befindet sich Russland vorn, gefolgt von Kasachstan und der Ukraine; zu sämtlichen drei Staaten unterhält die Bundesrepublik gute Beziehungen. In Südamerika liegen mit Brasilien und Chile ebenfalls zwei Länder an der Spitze, mit denen Berlin eng kooperiert.Die "Rankings" im Einzelnen: Afrika: Südafrika, Zimbabwe, Demokratische Republik Kongo, Sambia, Namibia, Gabun, Botsuana, Guinea, Marokko, Sierra Leone. Asien: China, Indien, Indonesien, Philippinen, Mongolei, Pakistan, Afghanistan, Iran, Saudi-Arabien, Myanmar. GUS und Georgien: Russland, Kasachstan, Ukraine, Armenien, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisistan, Aserbaidschan, Georgien, Belarus. Südamerika: Brasilien, Chile, Peru, Bolivien, Kolumbien, Venezuela, Argentinien, Ecuador, Guyana, Suriname.

Deutschland (und Europa)

Die Deutsche Rohstoffagentur, die mit dem aktuellen "Länderscreening" ihren Einstand gegeben hat, soll am morgigen Dienstag der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt werden - beim dritten "Rohstoffkongress" des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Auf der Veranstaltung werde besonders "die strategische Ausrichtung Deutschlands und Europas (…) erörtert", teilt das Bundeswirtschaftsministerium mit.Gründung der Deutschen Rohstoffagentur: Mehr Transparenz auf den Rohstoffmärkten; www.bmwi.de . Angekündigt sind die Bundesminister für Wirtschaft und Entwicklung, drei Staatssekretäre aus den Bundesministerien für Wirtschaft, Entwicklung sowie Äußeres, der Entwicklungskommissar der EU, ein stellvertretender Kabinettschef des Brüsseler Handelskommissars, mehrere Spitzenmanager deutscher Konzerne und der Bereichsleiter für Öl, Gas und Bergbau der Weltbank. Auch wird der Generaldirektor der Welthandelsorganisation auf dem Kongress zugegen sein. Er und seine Vereinigung sollen laut der Berliner Rohstoffstrategie dafür sorgen, dass Staaten, deren Hoheitsgebiet für Deutschland wichtige Rohstoffe beherbergt, diese keiner besonderen Kontrolle unterwerfen und sie vielmehr dem "freien Welthandel" ohne jegliche Einflussnahme überantworten - ganz zum Wohle der ressourcenbedüftigen deutschen Industrie. Der Plan, die Welthandelsorganisation zur Durchsetzung des freien Zugriffs auf die benötigten Bodenschätze einzusetzen, richtet sich vor allem gegen das Land, das wegen seiner erheblich gewachsenen Macht keinesfalls mit einer "Rohstoffpartnerschaft" an Berlin gekettet werden kann - gegen China.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 25.10.2010.

Fußnoten

Veröffentlicht am

03. November 2010

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