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Frauen an der Friedenspolitik beteiligen - jetzt!

Kommentar der pax christi-Generalsekretärin zum 10-jährigen Bestehen der UN-Resolution 1325

In ihrem Kommentar würdigt pax christi-Generalsekretärin Christine Hoffmann die friedens- und frauenpolitischen Errungenschaften der Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrates, zieht aber eine ernüchternde Bilanz der bisherigen Umsetzung.

Vor 10 Jahren, am 31. Oktober 2000, fasste der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den völkerrechtlich bindenden Beschluss, Frauen und ihre Rolle in Friedensprozessen zu stärken, dafür selbst konkrete Maßnahmen zu ergreifen und in den Mitgliedsstaaten anzuregen. Vorausgegangen waren dieser UN-Resolution ungezählte Gespräche von Frauengruppen mit Politiker/innen, Arbeitsgruppen auf UN-Frauen- und anderen Konferenzen sowie internationale Netzwerkarbeit.

Es ist diesen Frauen zu verdanken, dass sich bei den Vereinten Nationen die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Frauen mit ihrer Arbeit in Familien und Gemeinwesen einen immensen Beitrag zum Frieden leisten aber die Beteiligung von Frauen an offiziellen Friedensverhandlungen oder Kriegsverhütung immer noch marginal ist.

Es hat lange gedauert, doch jetzt machen sich die Vereinten Nationen für die Einsicht stark, dass die massenhafte Zerstörung der Lebensperspektiven von Mädchen und Frauen und das Zugrunderichten ihrer seelischen und körperlichen Gesundheit durch Gewalt und Krieg für das Gesamt jeder Gesellschaft größten Schaden anrichtet. Mit der Resolution 1325 verfolgen die Vereinten Nationen nun Ziele in den drei Kernbereichen Partizipation, Prävention und Protektion. Konkret geht es um die Teilhabe von Frauen an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen, insbesondere an Friedensverhandlungen; die aktive Konfliktvorsorge und Vermeidung bewaffneter und kriegerischer Konfliktaustragung und den Schutz von Mädchen und Frauen in bewaffneten Konflikten.

Ergänzt wurde die Resolution 1325 im Jahr 2008 durch die Verurteilung sexualisierter Gewalt als Kriegstaktik in der UN-Resolution 1820. Dass acht Jahre nach der Resolution 1325 die sexualisierte Gewalt als Straftat im Sinne des Völkerrechts gefasst wurde, verweist allerdings deutlich darauf, dass der angestrebte Schutz von Mädchen und Frauen nicht erreicht worden war und ist. Eine weitere Stärkung für die Resolution 1325 erfolgte im Jahr 2009 mit der Festlegung von Fristen für die Berichterstattung über Umsetzungsschritte in der Resolution 1889.

Der Maßstab für den Erfolg dieser frauen- und friedenspolitischen Errungenschaften der Resolution 1325 ist jedoch ihre Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten. Die Bilanz ist ernüchternd.

Protektion / Schutz

Der Schutz von Zivilpersonen, insbesondere von Mädchen und Frauen vor Verletzung, Verlust von Angehörigen, sexualisierten Übergriffen, Vergewaltigung und Tod in Konflikten ist international nicht erreicht. Die Vergewaltigungen und die Rekrutierung von Mädchen als Kindersoldatinnen und Sexsklavinnen im Ostkongo sind ein Beispiel unter vielen, das Zeugnis darüber ablegt. Frauen werden weiterhin massenhaft zu Opfern bewaffneter Konflikte gemacht.

In Afghanistan kämpfen Frauenrechtsgruppen gegen die Straffreiheit, die das Amnestiegesetz Kriegsverbrechern und den Verantwortlichen für Massenvergewaltigungen und erzwungene Prostitution gewährt. Der ohnehin prekäre Zugang von Frauen zu ihren durch die afghanische Verfassung verbrieften Rechten wird durch den Krieg zusätzlich erschwert.

Die erhöhte Aufmerksamkeit für die Gefahren, die gewaltsame Konflikte für Frauen und Mädchen bedeuten, wird im Gegenteil - in Deutschland insbesondere im Balkankrieg und in Afghanistan - für die Rechtfertigung militärischer Interventionen instrumentalisiert. Solche Rhetorik verkehrt die Ziele der Geschlechterperspektive, die die Resolution 1325 für die Friedenspolitik einfordert, in unverantwortlicher Weise ins Gegenteil.

Partizipation

Auch die Teilhabe von Frauen an Konfliktprävention und Friedensprozessen und am Friedenserhalt ist längst nicht gewährleistet. Das gilt für Länder, die bewaffnete Konflikte im eigenen Land zu bewältigen haben, ebenso wie für Deutschland, das an Konflikten beteiligt ist.

Insgesamt mangelt es in Deutschland an öffentlichen Debatten über die friedens- und sicherheitspolitische Gestaltung der Außenpolitik. Strategien - wie aktuell das neue strategische Konzept der Nato - werden hinter verschlossenen Türen verhandelt. De facto macht die personelle Besetzung der beteiligten Gremien und Ministerien die deutsche Außenpolitik zur Männersache. Die Rolle der Bundeskanzlerin hierbei vermag diesen Mangel an Teilhabe von Frauen nicht auszugleichen.

Durch die zivil-militärische Zusammenarbeit, die in Afghanistan praktiziert wird, wirkt sich die Dominanz militärischer Logik und männlich dominierter Entscheidungsstrukturen über den Bundeswehreinsatz unter ISAF-Mandat hinaus auch auf die Arbeit der zivilen Organisationen aus.

Prävention

Die Erfahrungen von Frauen aus humanitären Projekten sowie aus der Frauenrechts- und Menschenrechtsarbeit beinhalten ein Potenzial an Wissen aus inner- und zwischenstaatlichen Konflikten, das heute international - und in Deutschland - viel zu wenig im Sinne der Krisenprävention eingesetzt wird.

Theoretisch verfügt die Bundesregierung mit dem Aktionsplan "Zivile Krisenprävention und Vernetzte Sicherheit" über ein hervorragendes Konzept für die deutsche Außenpolitik. Faktisch kommt diesem Konzept aber derzeit das Zivile abhanden. Der jüngst von der Bundesregierung dazu vorgelegte dritte Umsetzungsbericht kommt eher einem Abschied von diesem zukunftsweisenden Politikansatz gleich. Zugleich bietet die diesjährige Besetzung des Beirates zur Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Umsetzung des Konzeptes mit zwei Frauen und siebzehn Männern ein weiteres eklatantes Beispiel für die mangelnde Partizipation von Frauen an der Gestaltung deutscher Friedens- und Sicherheitspolitik. Die beiden Frauen wurden zudem aus der Zivilgesellschaft entsandt, während die Bundesregierung sich der Verpflichtung zur Beteiligung von Frauen komplett entzog.

Ausblick

Die Bundesregierung kann den Beitrag Deutschlands zur Umsetzung der UN-Resolutionen 1325 und 1820 durch verschiedene Maßnahmen in den drei Kernbereichen Prävention, Partizipation, Protektion deutlich erhöhen. In Deutschland kann vorbildhaft umgesetzt werden, was international in Bezug auf die Umsetzung von Frauen- und Menschenrechten eingefordert wird. Ich benenne hier nur eine richtungsweisende Auswahl erforderlicher Maßnahmen:

Dialogförderung und praktizierte Geschlechterparität

  • Gewährleistung der paritätischen Einbeziehung von Frauen in friedens- und sicherheitspolitische Diskussions-, Forschungs- und Entscheidungsstrukturen des Bundes;
  • Initiierung eines breiten friedens- und sicherheitspolitischen Dialogs zwischen Politik und Zivilgesellschaft über die deutsche Außenpolitik im Allgemeinen sowie über die gemeinsame Sicherheitspolitik in der EU und in der NATO, der Frauen und Frauenorganisationen strukturiert und paritätisch einbezieht;
  • Kooperation mit Bündnissen wie dem Frauensicherheitsrat und dem Bündnis 1325, die sich in Deutschland um das Einbringen der Geschlechterperspektive in die Sicherheitspolitik verdient gemacht haben;

Konsequente Konfliktprävention

  • Ausbau des Konzepts der zivilen Krisenprävention zum vorrangigen Instrument der Konfliktbearbeitung und sukzessiver Abbau des militärischen Potenzials;
  • Nutzung und Förderung der Frühwarnsysteme, die Nichtregierungsorganisationen aus aktuellen Beobachtungen und ihrer kontinuierlichen Erfahrung in humanitärer Arbeit und Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stellen;

Schutz von Mädchen und Frauen vor sexualisierter Gewalt

  • Gewährleistung gendersensibler Ausbildung und Trainings von Personal im zivilen, diplomatischen, militärischen Dienst und in der Polizei durch Umsetzung des Maßnahmenplan des Rats der EU "Umfassender Ansatz für die Umsetzung der Resolutionen 1325 und 1820 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen betreffend Frauen, Frieden und Sicherheit durch die EU" (Dok.15671/08);

Aktionsplan zur Umsetzung der Resolution 1325 in Deutschland

  • Die Bundesregierung muss dem Beispiel von bereits dreizehn europäischen Ländern folgen und endlich einen Nationalen Aktionsplan vorlegen, der die Bündelung, Evaluation und Kontrolle aller Maßnahmen zur Umsetzung der Resolution 1325 gewährleistet.

Quelle: pax christi - 28.10.2010.

Veröffentlicht am

29. Oktober 2010

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