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Laufzeiten verlängern, Sicherheit mindern, Klagerechte einschränken

Das bringt das neue Atomgesetz der Bundesregierung

Von Jan Haase

Am 28. September wird das Bundeskabinett über zwei Gesetzesentwürfe zur Änderung des Atomgesetzes abstimmen. Werden sie beschlossen, ist ein erster Schritt zur Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken getan. Greenpeace liegt eine Fassung der Atomgesetzentwürfe vor. Greenpeace-Atomexperte Tobias Riedl erläutert anhand der Papiere, wie die schwarz-gelbe Regierung gleichzeitig die Laufzeiten verlängern, die Sicherheitsbedingungen der Reaktoren aufweichen und die Klagerechte von Anwohnern einschränken will.

Die Entwürfe für das geänderte Atomgesetz zeigen deutlich, wie sich die schwarz-gelbe Bundesregierung die Atompolitik der Zukunft vorstellt. "Hier hat die Bundesregierung die Wünsche der Atomindustrie in einen Gesetzestexte gegossen. In Zukunft wird nicht mehr der Bürger vor alten Atommeilern geschützt, sondern die Atomindustrie soll in Schutz vor den Bürgern genommen werden. Es ist Norbert Röttgens Pflicht diesem Ansinnen am 28. September eine klare Absage zu erteilen, sonst kann er als Umweltminister auch gleich seinen Hut nehmen", sagt Tobias Riedl.

§ 7d Weitere Vorsorge gegen Risiken

Die geplante Laufzeitverlängerung der Regierung sieht vor, dass die sieben ältesten Reaktoren, die vor dem Jahr 1980 ans Netz gegangen sind, rund acht Jahre länger laufen sollen, als bisher vorgesehen. Ein völlig neuer Paragraph im Atomgesetz soll zum einen die Betreiber vor teuren Nachrüstungen bei der Sicherheit schützen, zum anderen das Klagerecht von Anwohnern gegen die mangelhafte Sicherheit einschränken.

§ 7 d, Absatz 1

Im Jahr 2008 hat das Bundesverwaltungsgericht das Klagerecht von Anwohnern von Atomkraftwerken deutlich gestärkt. Nach diesem Urteil ist ein Flugzeugabsturz nicht mehr als sogenanntes Restrisiko zu bewerten, das von der Öffentlichkeit hingenommen werden muss. Dies ermöglicht Betroffenen per Klage den Schutz von Atommeilern gegen die Folgen von Flugzeugabstürzen zu fordern. Mit der Einführung des Paragraphen 7d Absatz 1 versucht die Regierung diesen Umstand per Gesetz nun wieder rückgängig zu machen.

Laut Begründung des Gesetzesentwurfs wird der Schutz gegen Flugzeugabstürze als Minderung des Restrisikos definiert, für den die AKW-Betreiber eine Sorgepflicht haben und der "nicht als drittschützend ausgestaltet werden soll". Das heißt: Der Schutz vor Flugzeugabstürzen soll durch ein rechtliches Konstrukt wieder zum Restrisiko umdefiniert und eine Klagemöglichkeit für Betroffene zudem explizit ausgeschlossen werden. Die genannte Sorgepflicht für den Betreiber ist dabei ein reines Placebo, da die gefährdeten Meiler durch Paragraph 7d, Absatz 2 eine Ausnahme für Sicherheitsnachrüstungen erhalten sollen.

§ 7 d, Absatz 2

Die sieben ältesten Atomkraftwerke in Deutschland sind nicht gegen den Absturz einer großen Passagiermaschine geschützt. Eine Nachrüstung der gefährdeten Meiler bedeutet enorme Investitionen für die Betreiber. Im vorliegenden Gesetzentwurf hat die Bundesregierung mit der Einführung des Paragraphen 7d, Absatz 2 eine billige und bequeme Lösung für die Atomkonzerne gefunden: Zwar sollen die Sicherheitsanforderungen für den Schutz der AKW gegen Flugzeugabstürze erhöht werden. Gleichzeitig werden aber Ausnahmen für die ältesten und gefährlichsten Meiler eingeführt: Sie sollen für die nächsten zehn Jahre, und damit quasi bis zum Ende ihrer Laufzeit, weiterhin völlig ungeschützt weiterbetrieben werden können. Damit führt sich der Paragraph selbst ad absurdum.

§ 9d Enteignung

Beim Thema Gorleben als möglicher Endlagerstandort will die Bundesregierung kurzen Prozess machen. Mit dem Atomgesetzentwurf sollen die nötigen gesetzlichen Grundlagen für ein schnelles Durchboxen des Standortes geschaffen werden. So sieht der Entwurf Enteignungen von Anwohnern - auch "für Zwecke der vorbereitenden Standorterkundung".

Stutzig macht, dass die Regierung großen Wert darauf legt, nach altem Bergrecht weiter zu erkunden. Dies hat den Vorteil, dass eine Bürgerbeteiligung nicht vorgesehen ist und Gorleben weiter ausgebaut werden kann. Gleichzeitig wird mit Enteignung für diesen Ausbau nach Atomrecht gedroht. Die Regierung nimmt es sich eben, wie sie es braucht.

Damit die Enteignungen sich nicht durch mögliche Klagen in die Länge ziehen, wird in dem Entwurf auch dagegen Vorsorge getroffen. Paragraph 9e sieht vor, dass eventuelle Klagen von Betroffenen keine aufschiebende Wirkung haben sollen. Mögliche Eilverfahren können zudem nur innerhalb eines Monats beantragt werden und müssen bereits die komplette Klagebegründung enthalten, dies ist selbst für den versiertesten Anwalt in einer solch kurzen Zeit kaum zu schaffen. "Für Gorleben hat Umweltminister Röttgen damit ein eigenes Verfahren der Beteiligung geschaffen: Die Bürger sollen die Klappe halten und von ihrem Grundbesitz verschwinden."

Dieser Gesetzentwurf ist ein Geschenk an die deutschen Atomkonzerne von der Bundesregierung. "Er ist in keiner Weise daran orientiert dem Gemeinwohl zu dienen. Sollte er Gesetz werden, wäre dies ein weiteres Armutszeugnis für die schwarz-gelbe Bundesregierung", so Riedl.

Quelle: Greenpeace   vom 22.09.2010.

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Veröffentlicht am

25. September 2010

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