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Oscar A. Romero: Das Wort als Anprangerung

Er ist ein Zeuge der Märtyrerkirche: Oscar Romero predigte mit der Bibel in der einen und der Wirklichkeit in der anderen Hand.

Von Jon Sobrino

Bei der Trauerfeier in der Zentralamerikanischen Universität (UCA) sagte Ignacio Ellacuria: "Mit Bischof Romero schritt Gott durch El Salvador". Monate später schrieb er mit Bedacht: "Er war von Gott gesandt, um sein Volk zu retten." Aus diesem theologischen Blickwinkel wollen wir uns Bischof Romero, dem "Vater der Kirche", nähern.

Alles geschah innerhalb von drei Jahren. Es begann am 12. März 1977 in Aguilares, als oligarchische Cafetaleros Pater Rutilio Grande und zwei Campesinos ermordeten - ein kleines concretum universale für das, was auf das Volk und seine Kirche zukam. Dem Bischof gingen die Augen auf, und er bekehrte sich. Er war eng mit Rutilio befreundet gewesen und hatte ihn als Priester hoch geschätzt, seine neue Pastoral, die er von Medellin und Bischof Proano gelernt hatte, jedoch nicht geteilt. Als er vor seinem Leichnam stand, traf ihn die Erkenntnis, dass Rutilio wie Jesus gestorben war, weil er wie Jesus gelebt hatte. Nicht Rutilio, er selbst war im Irrtum gewesen. Der Bischof änderte sich, er wurde zu einem prominenten Jünger Jesu und folgte ihm auf seinem Leidensweg vom Jordan bis nach Golgatha.

Die "Bekehrung" des Bischofs rief große Überraschung hervor, und man sprach vom "Wunder" Rutilios. Sie war spektakulär und spontan. Er verlangte von der Regierung, die drei Morde aufzuklären, und versprach, bis dahin an keinem offiziellen Akt teilzunehmen. Er versprach, das Volk nicht im Stich zu lassen. Er hat sein Versprechen gehalten.

Das Wunder Gottes und des Volkes bestand darin, dass Bischof Romero letztlich fast genau zum Gegenteil dessen wurde, wozu man ihn gewählt hatte. Mit seinen 59 Jahren war er in einem Alter, in dem sich die psychischen und spirituellen Strukturen eines Menschen normalerweise verfestigt haben. Und er war gerade in ein sehr hohes Amt der Institution aufgestiegen, wo man zu Kontinuität und Machtsicherung neigt. Er ahnte schon bald, dass er sich den Zorn der Oligarchie und aller Mächtigen zuziehen würde, obwohl er auch sehr schnell die Liebe der Armen und den Respekt aller gewann, die guten Willens waren. Karl Barth hat gesagt, man müsse mit der Bibel in der einen und der Zeitung in der anderen Hand predigen. Bischof Romero predigte mit der Bibel in der einen und der Wirklichkeit in der anderen Hand - und er stand selbst mitten in dieser Wirklichkeit. Am Vorabend seiner Ermordung sagte er: ,Ich bitte den Herrn die ganze Woche über, während ich die Schreie des Volkes und den Schmerz von so viel Ruchlosigkeit und die Schmach von so viel Gewalt auf mich nehme, dass er mir das richtige Wort schenken möge, um zu trösten, um anzuprangern, um Reue zu erwecken." (Predigt vom 23. März 1980)

Wenn er Gott und die Wirklichkeit ernst nehmen wollte, musste sein Wort Anprangerung sein: "Das ist das große Übel von El Salvador: der Reichtum, das Privateigentum als unantastbares Absolutes. Und wehe dem, der diese Hochspannungsleitung berührt! Er verbrennt." (2. August 1979) "Die Gewalt, der Mord, die Folter, bei der so viele sterben, der Einsatz von Macheten, Menschen, die ins Meer geworfen, die einfach weggeworfen werden: das ist das Reich der Hölle." (1. Juli 1979)

Während seiner dreijährigen Amtszeit wurden viele Priester, Gesandte des Wortes, Männer und Frauen aus dem Laienstand ermordet. Das war das Martyrium Jesu in unseren Tagen. Und es gab Massaker an Campesinos. Sie waren "der leidende Gottesknecht". Im Zusammenhang mit dem Mord an einem Priester machte Romero die Gründe für das Martyrium unmissverständlich klar: "Wer stört, wird getötet (…) wie sie Christus getötet haben." (23. September 1979) Doch er sagte auch Haarsträubendes und Unerhörtes: "Es wäre traurig, wenn in einer Heimat, wo so entsetzlich gemordet wird, nicht auch Priester zu den Opfern zählen würden. Sie sind das Zeugnis einer Kirche, die in den Problemen des Volkes Mensch wird." (4. Juli 1979)

Oscar Romero befürwortete eine Kirche der "Befreiung", deren historische Menschwerdung sich in den Kämpfen um die Gerechtigkeit und für die grundlegenden Rechte des Volkes vollziehen musste. Man konnte nicht Kirche der Armen sein und die Armen ihrem Schicksal überlassen. Die Tatsache, dass es sich um einen "Kampf` mit all seiner Zwiespältigkeit handelte, hielt ihn nicht zurück. Und im Grenzfall der Gewalt besann er sich auf die lange Tradition der Lehre von ihrer bedingten Zulässigkeit.

Bischof Romero muss auch weiterhin Wegweiser zu einer Kirche sein, die in einer Welt, die so viele Tode hervorbringt, Jesus gleichen will.

Jon Sobrino SJ ist Direktor des Zentrums Monsenor Romero an der Zentralamerikanischen Universität (UCA) von San Salvador (EI Salvador). Sein Beitrag ist in vollständiger Fassung unter dem Titel "Mit Bischof Romero schritt Gott durch El Salvador" in der Ausgabe 5/2009 in der Zeitschrift "Concilium" erschienen.

Quelle: Romero Zeitung 2010 zum 30.Jahrestag der Ermordung Erzbischof Oscar A. Romeros. Hrsg. von Christliche Initiative Romero .

Veröffentlicht am

24. März 2010

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