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Russland: Atommüll unter freiem Himmel

Deutschland und Frankreich verschicken große Mengen nuklearer Abfallstoffe nach Westsibirien. Dort gelten jedoch andere Sicherheitsstandards als in Westeuropa

 

Von Ulrich Heyden

Es gibt Fernsehberichte, ausgestrahlt in Deutschland und Frankreich, mit denen vehement beklagt wird, dass Atommüll aus Westeuropa in Westsibirien unter freiem Himmel in rostenden Fässern gelagert werde. Dieser Vorwurf zielt auf die Umgebung von Wiederaufbereitungsanlagen in den Städten Angarsk und Sewersk. Doch Russlands Atomagentur Rosatom bleibt unbeeindruckt. "Das abgereicherte Uranhexafluorid aus Deutschland ist nach Angaben der Internationalen Atomenergie-Behörde kein Atommüll", sagt Sergej Nowikow, Sprecher von Rosatom. Es handle sich um einen "Wertstoff", da das Material wiederaufbereitet werden könne. Im Übrigen seien die Fässer absolut sicher und würden 80 bis 100 Jahre halten. Außerdem entspreche die Lagerung unter freiem Himmel in diesem Fall internationalen Standards. Nowikow legte Luftaufnahmen von ähnlichen Freiluft-Lagern in Paducah (USA) und Capenhurst (Großbritanien) vor. Allein in dem Lager Paducah lägen 28.000 Container mit abgereichertem Uran unter freiem Himmel.

Proteste in Petersburg

Aber auch Rostechnadsor, die russische Aufsichtsbehörde für technische Sicherheit, hat schon in ihrem Jahresbericht 2007 Sicherheitsmängel bei der Lagerung von Uranhexafluorid auf umzäunten Plätzen der vier Aufbereitungsanlagen in Sewersk, Angarsk, Selenogorsk und Nowouralsk beanstandet. Es bestehe "eine erhebliche Gefahr, dass die Behälter undicht werden", monierte die Behörde. Durch die Fernsehberichte wurde freilich erst jetzt einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland bekannt, wogegen russische Umweltschützer schon seit Jahren kämpfen: Dass Deutschland und Frankreich Atommüll in Russland endlagern. Nur 15 Prozent des abgereicherten Uranhexafluorid aus Deutschland gehen dorthin zurück. Wladimir Sliwjak von der russischen Umweltschutzorganisation Ecodefence berichtet von Protestaktionen in Petersburg, weil in der Newa-Stadt die Container mit abgereichertem Uranhexafluorid aus Deutschland vom Schiff auf die Schiene verladen werden.

Wie jetzt bekannt wurde, hat die im westfälischen Gronau ansässige Firma Urenco seit 1996 27.300 Tonnen abgereichertes Uranhexafluorid über den Schienenweg weit nach Osten, nach Angarsk transportieren lassen, eine Stadt nicht weit vom Baikalsee entfernt. Urenco betreibt die einzige deutsche Urananreicherungsanlage und nimmt damit eine Schlüsselstellung bei der Herstellung von Kernbrennstoff ein - Eigentümer sind der britische und niederländische Staat sowie die Energiekonzerne RWE und E.on.

Schlüsselfertige Atomkraftwerke

Der Vertrag zwischen Urenco und Rosatom über die Wiederaufbereitung deutschen Atommülls laufe in diesem Jahr aus, ab 2010 werde Russland keine neuen Verträge mit ausländischen Firmen über die Wiederaufbereitung von abgereichertem Uran abschließen, so Rosatom-Sprecher Sergej Nowikow gegenüber der Nesawissimaja Gaseta, denn die vier russischen Wiederaufbereitungsanlagen im Ural und in Westsibirien seien mit Aufträgen aus russischen Atomanlagen vollends ausgelastet.

Das Ende der Wiederaufbereitung mit atomaren Endstoffen aus Europa sei kein Erfolg der Umweltschützer, sondern hänge allein mit den geltenden und eben auslaufenden Verträgen zusammen. Umweltaktivist Wladimir Slivjak meint hingegen, Russland habe die Abnahme von Atommüll aus Westeuropa vor allem deshalb eingestellt, weil das Geschäft mit diesen ausländischen Kunden jährlich nur 200 Millionen Dollar eingebracht habe. Wesentlich mehr Geld verdiene sein Land mit dem Verkauf von Kernbrennstoff und schlüsselfertigen Atomkraftwerken. Zur Zeit ist denn Rosatom auch am Bau von sieben russischen und fünf Atomkraftwerken im Ausland (Iran, Indien, Bulgarien) beteiligt. Allein bei einem Block für das gerade in Bulgarien errichteten Atomkraftwerk verbuche man ein Auftragsvolumen von zwei Milliarden Dollar.

Quelle: der FREITAG vom 23.10.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

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Veröffentlicht am

24. Oktober 2009

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