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Ganz neue Abrüstungsfragen

Von Karl Grobe

Allmählich wird die Zeit knapp. In sieben Wochen läuft der Abrüstungsvertrag aus, den die USA und Russland vor 15 Jahren zur Verringerung ihrer strategischen Atomwaffen geschlossen haben. Aber es bewegt sich was, Hillary Clinton, die Außenministerin der USA, hat nach ihrem ersten Moskau-Besuch von Fortschritten berichtet, die sich in dieser Sache bei den Unterredungen mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow ergeben haben. Ob das reicht, ist nicht sicher.

Die entscheidenden Verhandlungen finden in Genf statt; falls sie fristgerecht und mit Erfolg abgeschlossen werden können, steht noch die Ratifizierung an. Dazu wird der US-Senat nicht mehr in diesem Jahr kommen, und die russische Staatsduma, deren Diskussionsbedarf wesentlich geringer ist, wird gewiss nicht vorpreschen. Optimisten sehen aber den Erfolg in greifbarer Nähe. Der könnte in einer Verringerung der strategischen Atomwaffenarsenale um ein weiteres Drittel bestehen.

Russland und die USA haben zusammen rund 90 Prozent aller Nuklearwaffen. Zum Verzicht darauf sind beide nicht bereit; Barack Obamas Vision einer atomwaffenfreien Erde ist eine Vision und - noch - kein Ziel aktueller Politik. Solange andere Mächte über Nuklearwaffen verfügen und nicht ihrerseits darauf verzichten, wird es auch keins werden. Die Skeptiker unter den politischen Entscheidungsträgern in beiden Staaten verweisen auf die Alleingänge von wenigstens vier Staaten, die sich dem - im Grundsatz wichtigeren - Nichtweiterverbreitungsvertrag (NPT) nie angeschlossen oder von ihm verabschiedet haben: Indien, Israel, Nordkorea, Pakistan. Über diesen Vertrag werden sich die 189 Unterzeichnerstaaten im kommenden Mai in Wien bewertend unterhalten.

Bisher hat der NPT-Vertrag in den 39 Jahren, seit er in Kraft ist, unerwartet gut funktioniert. Die vier Ausnahmen geben dennoch zu denken, zumal der Argwohn wieder umgeht, der Iran könnte die fünfte Ausnahme werden. Über den Umgang mit diesem Thema haben Clinton und Lawrow sich nicht geeinigt. Ein Indiz dafür, was den Neustart der Beziehungen trotz gutem Willen beider Seiten an Details noch behindert. Ganz trauen sich die beiden doch immer noch nicht über den Weg.

Ein neuer Abrüstungsvertrag, der an Start I anschließt, würde da helfen; und auch die seit Jahren überfällige Ratifizierung des Teststoppabkommens (CTBT) durch den US-Senat wäre sehr nützlich. Sicher und friedlich wird die Erde dadurch noch nicht. Die Kriegstechnik hat sich rapide entwickelt, die Politiker, Diplomaten und Juristen sind dem kaum gefolgt. Erdsatelliten werden nicht mehr vorwiegend zur Spionage eingesetzt, sondern dienen als Relais bei der Steuerung unbemannter Tötungsgeräte, zum Beispiel Drohnen. Die Kommandos gibt ein Offizier irgendwo in den USA am Bildschirm mittels Joystick oder Mausklick, die Rakete trifft Aufständische in Pakistan oder Afghanistan mit großer Präzision - oder auch Unbeteiligte.

Den Kampf gegen Terroristen, doch auch gegen Volksaufstände und andere Formen des asymmetrischen Kriegs hat das schon gründlich verändert. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis solche neuen Techniken Atomsprengköpfe tragen können. Mit diesen Entwicklungen müssen sich die Mächte dringend befassen - sobald sie ihre Arbeit in Sachen Start-I-Nachfolge, NPT und CTBT erledigt haben.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 17.10.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

17. Oktober 2009

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