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Kopenhagen-Klimabericht: “Nicht-Handeln ist nicht zu entschuldigen”

Wichtige Klimaindikatoren wie die globale Durchschnittstemperatur, der Meeresspiegelanstieg und Extremwetter-Ereignisse bewegen sich bereits außerhalb der Muster natürlicher Variabilität, innerhalb derer sich die moderne Gesellschaft und Wirtschaft entwickelt haben. Das geht aus einem Bericht hervor, den führende Klimawissenschaftler am heutigen Donnerstag in Brüssel in Vorbereitung der Weltklimakonferenz in Kopenhagen im Dezember vorstellten. Die Übersicht über aktuelle Forschungsergebnisse zum Klimawandel wurde dem dänischen Ministerpräsidenten Lars Løkke Rasmussen, dem Gastgeber der Weltklimakonferenz, übergeben.

"Wir beschreiben neue Erkenntnisse der Klimaforschung, Klimafolgen für Gesellschaft und Umwelt sowie effektive Werkzeuge und Ansätze, mit diesen Herausforderungen umzugehen", sagt Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und einer der Autoren des Berichts. "Der neueste Stand der wissenschaftlichen Ergebnisse vermittelt einen Eindruck der großen Dringlichkeit, die, so hoffen wir, die Kopenhagen-Konferenz zu einem erfolgreichen Abschluss bringt", sagt Schellnhuber, der die Bundesregierung zu Fragen des Globalen Wandels berät. In Kopenhagen wird über ein Anschluss-Abkommen an das Kyoto-Protokoll verhandelt werden.

Der Abschlussbericht fasst das neue Wissen zusammen, das im März dieses Jahres auf dem Kongress "Climate Change: Global Risks, Challenges & Decisions" an der Universität Kopenhagen präsentiert wurde. Rund 2500 Teilnehmer aus fast 80 Ländern konnten dort mehr als 1400 wissenschaftliche Vorträge hören. "Es zeigt sich, dass wir all unseren Erfindungsgeist für die klima-intelligente Weiterentwicklung existierender Strukturen brauchen, um den Klimawandel auf ein beherrschbares Maß zu begrenzen", sagt Schellnhuber. Dennoch seien auch grundlegende gesellschaftliche Veränderungen notwendig.

So sei etwa das Muster der heutigen Landnutzung Ergebnis eines ziellosen historischen Prozesses. Globale Nachhaltigkeit wurde dabei nicht berücksichtigt, berichten Schellnhuber und Veronika Huber vom PIK in dem Report. Künftig werde die Landnutzung den Bedarf von rund neun Milliarden Menschen nach Nahrung und Pflanzenfasern, Energie, Infrastruktur und Naturschutz decken müssen - auf einer nicht erweiterbaren Fläche.

Analysen des PIK ergaben, dass zwölf Milliarden Menschen mit den Erträgen von Anbauflächen von weniger als einem Drittel des heutigen Gesamtausmaßes ernährt werden könnten, wenn an optimalen Standorten die best geeigneten Pflanzensorten angebaut würden und es keine Beschränkungen des Nahrungsmittelhandels durch Protektionismus gäbe. Möglich würde dies aber nur durch einen globalen Pakt, der die best geeigneten Flächen (siehe Abbildung) für die Landwirtschaft reserviert. Auf die gleiche Weise könnten tropische Regenwälder als Teil des globalen Allgemeinguts für den Naturschutz reserviert werden.

"Wenn die Menschheit aus der Geschichte lernen und die Bedrohungen [durch anthropogenen Klimawandel] begrenzen soll, ist es Zeit menschliche Aktivitäten stärker zu kontrollieren, die die grundsätzlichen Voraussetzungen für Leben auf der Erde verändern", schreiben die Wissenschaftler im Abschlussbericht. Damit effektive Maßnahmen getroffen werden, müsse das Wissen darüber, wie menschliche Aktivitäten das Klima beeinflussen und wie sich ungebremster Klimawandel auswirken könnte, unter den politischen Entscheidungsträgern der Welt und in der Öffentlichkeit verbreitet werden. Der Abschlussbericht vermittelt dieses Wissen in sechs Kernaussagen:

Kernaussage 1: Klima-Trends

Neue Beobachtungsdaten zeigen, dass die Zunahme der Emissionen von Treibhausgasen und die Veränderung vieler Bestandteile des Klimasystems im oberen Bereich der Erwartungen liegen, die sich aus den Projektionen des IPCC ergeben. Wichtige Klimaindikatoren bewegen sich bereits außerhalb der Muster natürlicher Variabilität, innerhalb derer sich die moderne Gesellschaft und Wirtschaft entwickelt haben. Zu diesen Indikatoren gehören die durchschnittliche globale Oberflächentemperatur, der Meeresspiegelanstieg, die globale Meerestemperatur, die Ausdehnung des arktischen Meereises, die Ozeanversauerung und Extremwetter-Ereignisse. Bei unverminderten Emissionen werden viele Klimatrends wahrscheinlich verstärkt, was das Risiko abrupter oder unumkehrbarer klimatischer Veränderungen erhöht.

Kernaussage 2: Soziale und ökologische Umbrüche

Die Wissenschaft liefert viel Information für die Diskussion über "gefährlichen Klimawandel". Aktuelle Beobachtungen zeigen, dass Gesellschaften und Ökosysteme sehr verletzlich gegenüber nur geringen klimatischen Veränderungen sind. Arme Länder und Gemeinden, ökosystemare Dienstleistungen und Biodiversität sind besonders gefährdet. Temperaturanstiege über zwei Grad Celsius werden moderne Gesellschaften vor große Probleme stellen und in diesem Jahrhundert und darüber hinaus wahrscheinlich tiefgreifende soziale und ökologische Umbrüche herbeiführen.

Kernaussage 3: Langfristige Strategie: Globale Zielvereinbarungen und Zeitpläne

Um "gefährlichen Klimawandel" - gleich, nach welcher Definition - zu verhindern, bedarf es umgehender, dauerhafter und effektiver Vermeidungsmaßnahmen durch koordiniertes Vorgehen auf globaler und regionaler Ebene. Zielvorgaben für das Jahr 2020 abzuschwächen erhöht das Risiko schwerer Auswirkungen, etwa des Überschreitens von Kipppunkten im Klimasystem. Zudem wird es dadurch schwieriger und kostspieliger die Zielvorgaben für das Jahr 2050 zu erreichen. Zentrale Aspekte einer effektiven Vermeidungsstrategie sind die dauerhafte Etablierung eines glaubwürdigen Kohlenstoffpreises und die politische Förderung von energie-effizienten und kohlenstoffarmen Technologien.

Kernaussage 4: Fragen der Gerechtigkeit

Der Klimawandel wirkt sich sehr unterschiedlich auf Menschen in verschiedenen, aber auch innerhalb der gleichen Länder und Regionen aus. Er betrifft heutige Generationen anders als künftige und er verändert menschliche Gesellschaften und natürliche Lebensräume auf unterschiedliche Weise - heute und in Zukunft. Die Menschen, die sich am wenigsten an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen können, müssen dabei effektiv und solide finanziert unterstützt werden. Es bedarf gerechter Strategien zur Vermeidung des Klimawandels, um die armen und am meisten verwundbaren Menschen zu schützen. Klimaschutz kann als integraler Bestandteil der weiter gefassten Ziele angesehen werden, überall in der Welt sozioökonomische Entwicklung zu ermöglichen und Gerechtigkeit herzustellen.

Kernaussage 5: Nicht-Handeln ist nicht zu entschuldigen

Die Gesellschaft verfügt bereits über zahlreiche Instrumente und Ansätze, die Klima-Herausforderung anzunehmen: ökonomische, technologische sowie Ansätze auf der Verhaltensebene. Werden diese Instrumente aber nicht eingesetzt, werden weder die Anpassung an den nicht mehr vermeidbaren Klimawandel noch die gesellschaftliche Transformation zur Dekarbonisierung der Wirtschaftssysteme möglich sein. Effektive und schnelle Anpassung und Vermeidung bieten eine Reihe von Vorteilen. Dazu gehören die Schaffung von Arbeitsplätzen im Sektor erneuerbarer Energien, Reduzierungen der gesundheitlichen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgeschäden des Klimawandels und die Wiederherstellung von Ökosystemen und ihren Dienstleistungen.

Kernaussage 6: Die Herausforderung annehmen

Wenn die gesellschaftliche Transformation zum Bestehen der Herausforderung Klimawandel herbeigeführt werden soll, gilt es eine Reihe bedeutender Widerstände zu überwinden und einmalige Gelegenheiten zu ergreifen. Dazu gehört es, die innere Trägheit sozialer und wirtschaftlicher Systeme zu mindern und an die deutlicher werdenden Forderungen der Bürger an ihre Regierungen anzuknüpfen, für den Klimaschutz zu handeln. Zudem gilt es Aktivitäten einzuschränken, die den Treibhausgas-Ausstoß erhöhen und die Belastbarkeit schwächen (z.B. Subventionen), sowie den Übergang von ineffektiver Regierungsarbeit und schwachen Institutionen zu innovativer Führung auf Regierungs-, Wirtschafts- und zivilgesellschaftlicher Ebene. Um Gesellschaften zu einer nachhaltigeren Entwicklung bewegen zu können, kommt es darauf an, die Klimathematik im Zusammenhang mit den weiter gefassten Problemen nachhaltigen Konsums und nachhaltiger Produktion, mit Menschenrechtsfragen und mit demokratischen Werten zu betrachten.

Quelle:  Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung - Pressemitteilung vom 18.06.2009.

Veröffentlicht am

18. Juni 2009

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