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Fastenbrechen mit den Taliban

Afghanische Regierung geht auf militante Islamisten zu / Saudi-Arabien vermittelt / USA aufgeschlossen

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Von Karl Grobe

"Die USA unterstützen die Rückkehr der Taliban an die Macht" - diese Schlagzeile der angesehenen pakistanischen Zeitung Dawn vom Mittwoch mag ein kleines Stück übers Ziel hinausgeschossen haben. Im Kern trifft sie zu. Das Washingtoner Außenministerium hat durch seinen Sprecher Robert Wood verlauten lassen, einen "afghanischen Versöhnungsprozess" werde es "kräftig unterstützen". Und Versöhnung ist ohne die Taliban nicht zu haben.

In den vergangenen Wochen hat sich Saudi-Arabien in einen Annäherungsprozess eingeschaltet. Zum Fastenbrechen vor einer Woche am Ende des Ramadan hatte König Abdullah 17 prominente Afghanen eingeladen. Qayum Karsai, älterer Bruder des Kabuler Staatschefs Hamid Karsai, war ebenso zugegen wie der frühere Außenminister der Taliban-Regierung, Wakil Achmed Muttawakil, und Vertraute des Islamisten Gulbuddin Hekmatyar, der sein eigenes Spiel gegen Kabul und die ausländischen Truppen treibt. Muttawakil spielte in der Web-Zeitung Asia Times das Treffen zwar etwas herunter: Er sei auf Pilgerfahrt gewesen, "aber weil die Regierung dort mich kennt, hat sie mich zum Fastenbrechen eingeladen".

Er bestätigte aber, dass Saudi-Arabien eine sehr effektive Rolle spielen könne, weil es sowohl mit den Taliban als auch mit Osama bin Laden "und anderen dschihadistischen Bewegungen" früher sehr gute Beziehungen unterhalten habe. Der langjährige saudische Geheimdienstchef Prinz Turki bin Faisal hatte beim Aufbau der El Kaida, der Organisation Bin Ladens, energisch mitgewirkt.

Präsident Karsai hat bestätigt, dass er Saudi-Arabien mehrfach gebeten habe, sich vermittelnd einzuschalten, war mit dem Ergebnis aber offenbar unzufrieden. Derweil drängen ihn afghanische Politiker weiter zu Kontakten mit den Taliban, darunter sogar deren einstiger Gegner Burhanuddin Rabbani, ein Fundamentalist aus der einstigen Peschawar-Gruppe. Diese war von den USA, Pakistan und Saudi-Arabien zum Kampf gegen die sowjetische Besetzung finanziert worden, nach ihrem Sieg aber zerfallen und schließlich 1996 den Taliban unterlegen.

Ungewiss ist, welche Konzessionen Karsai und seine einheimischen Verbündeten den Taliban machen werden. Karsai hatte bei seinem Aufruf zur Rückkehr den Taliban lediglich zugesagt, er werde ihnen Schutz vor den internationalen Streitkräften in Afghanistan garantieren. Mullah Omar, der Führer der Taliban, lehnt Verhandlungen mit "den USA und dem Marionettenregime" zwar öffentlich ab, doch ist unklar, wie weit der Einfluss seiner Gruppe auf die vielfältigen Widerstandsbewegungen reicht, die zusammenfassend als Taliban bezeichnet werden.

Die meisten dieser Gruppen sind Clan- und Stammesverbände der Paschtunen, der größten Bevölkerungsgruppe Afghanistans. Sie sind angesichts des Versagens der Karsai-Regierung beim Aufbau einer staatlichen Ordnung und beim wirtschaftlichen Neuaufbau als lokale und regionale Organisationen wieder erstarkt, haben mit der zentralistischen und diktatorischen Ordnung des früheren Taliban-Regimes aber nicht viel zu tun. Auf einen Modus zur Zusammenarbeit mit ihnen zielen offenbar die Bestrebungen jener US-Vertreter, die sicher sind, dass ein militärischer Sieg unmöglich ist. 

Allianz im Zwiespalt

Die Nato steht Gesprächen zwischen Kabul und führenden Taliban-Vertretern interessiert gegenüber. Afghanistans Verteidigungsminister Abdel Rahim Wardak soll beim Nato-Treffen heute in Brüssel darüber berichten.

In Nato-Kreisen hieß es, sollte es Stammesführer geben, die den Kampf aufgeben wollten, sollten diese in den politischen Prozess eingebunden werden. Die Nato gehe davon aus, dass es in Afghanistan "keine ausschließlich militärische Lösung geben kann".

Die Allianz diskutiert zugleich über verstärktes Militärengagement. So will sie heute entscheiden, ob die Isaf-Truppe künftig auch direkt gegen die Opiumproduktion in Afghanistan kämpfen soll. Die USA, Großbritannien und Kanada sind dafür. Deutschland, Italien und Spanien lehnen die Ausweitung des Einsatzes ab. Sie sind nur bereit, die Afghanen in deren Kampf gegen die Drogenproduktion zu unterstützen.

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 09.10.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

09. Oktober 2008

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