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Mercedes-Lkw für Georgiens Raketenwerfer

Von Otfried Nassauer

Georgiens moderne Raketenwerfer können Streumunition verschießen - eine Gefahr für Zivilisten. Montiert sind sie auf Mercedes-Benz-Lkws. Dies bedeutet ein Glaubwürdigkeitsproblem für Berlin, das Vorreiter beim Verbot von Streumunition sein will.

Georgien hat moderne Mehrfachraketenwerfer importiert. Sie sind auf schweren, geländegängigen Mercedes-Lkw montiert. Mit diesen Raketenwerfern kann Streumunition verschossen werden. Die ist umstritten, weil sie unterschiedslos gegen militärische und zivile Ziele wirkt. Auch noch lange nach einem Krieg. Ende 2008 soll ein internationaler Vertrag unterzeichnet werden, der solche Waffen verbietet. Die Bundesregierung sieht sich dabei in einer Vorreiterrolle und hat nun ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wird sich ärgern. Er möchte, dass Deutschland bei den Bemühungen um ein internationales Verbot von Streumunition eine "Vorreiterrolle" spielt. Der Vertragsentwurf ist bereits ausgehandelt. Im Dezember soll er in Oslo unterschrieben und dann schnell ratifiziert werden. Und nun das: Die georgischen Streitkräfte importieren seit 2007 moderne Mehrfachraketenwerfer, mit denen Streumunition verschossen werden kann. Das hat Georgien an das UN-Waffenregister gemeldet. Die ersten vier Raketenwerfer wurden 2007 geliefert. Weitere sollten 2008 folgen. Die schweren Gelände-Lkw, auf denen die Raketenwerfer montiert sind, stammen von Mercedes-Benz.

Bilder zeigen, dass die Raketenwerfer auf einer militärischen Version des Mercedes Actros 3341 montiert sind. Ein Fahrzeug, das sich besonders für schweres Gelände eignet. Stolz verweist Mercedes darauf, dass mit Lkw dieses Typs 2002 erste Hilfslieferungen auf dem Landweg nach Afghanistan gebracht wurden. Fahrzeuge, die für den Hindukusch geeignet sind, sind auch dem Kaukasus gewachsen. Die Herkunft der Raketenwerfer ist politisch brisant. Sie tragen die Bezeichnung LAR-160 und stammen aus Israel. Dort werden sie von Israel Military Industries - kurz IMI - hergestellt. Auf jeden LKW werden zwei Raketencontainer mit je 13 Raketen montiert. In der Version Mk-4, die Georgien erhielt, haben die Raketen eine Reichweite von 45 Kilometern. Jede Rakete trägt einen Sprengkopf, der mit 104 Submunitionen gefüllt sein kann, die getrennt zu Boden fallen und halbharte oder weiche Ziele zerstören sollen. Weichziele sind beispielsweise Menschen. Halbharte Ziele sind ungepanzerte Fahrzeuge, Autos zum Beispiel.

Ein einzelner Raketensprengkopf reicht aus, um mehr als 31.000 Quadratmeter mit Streumunition abzudecken, eine Salve für mehr als 800.000 Quadratmeter. Die Streumunition, die mit diesen Raketenwerfern verschossen werden kann, hat traurige Berühmtheit erlangt. Sie wurde von Großbritannien während des Golfkrieges 2003 und von Israel während des Libanonfeldzuges 2006 eingesetzt. M-85 heißen die Bombletts, die knapp 300 Gramm schwer und mit 44 Gramm Hochleistungssprengstoff (RDX) gefüllt sind. Ihr Durchmesser beträgt nur 4,2 Zentimeter. Sie sind deshalb leicht zu übersehen.

Man kann sie mit einem automatischen Selbstzerstörungsmechanismus ausstatten, um die Gefahr für Zivilisten durch Blindgänger zu mindern. Weniger als ein Prozent aller Streumunitionen dieses Typs sollen dann nach einem Krieg noch eine Gefahr darstellen - so das Argument, das auch die Bundeswehr veranlasste, bei Rheinmetall Artilleriegeschosse zu kaufen, die diese Munitionen enthält. Doch die Theorie ist das eine; die Praxis war etwas anderes. Die US-Armee beendete die Erprobung dieser Submunition, weil der Selbstzerstörungsmechanismus nicht so gut funktionierte wie versprochen. Das norwegische Verteidigungsforschungsinstitut fand im letzten Jahr heraus, dass etwa zehn Prozent dieser Streumunition im Libanon zu Blindgängern geworden waren. Eine Blindgängerrate von weniger als einem Prozent wurde bei der norwegischen Armee selbst unter idealen Testbedingungen nicht erreicht. Die Bundeswehr erklärte sich in letzter Minute bereit, künftig auf diesen Munitionstyp zu verzichten, und beseitigte ein wesentliches Hindernis, damit in Dublin 2008 ein Vertragsentwurf verabschiedet werden konnte, der auch Streumunition verbietet, die sich angeblich in 99 Prozent aller Fälle selbst zerstört.

IMI bietet die Raketenwerfer auf Mercedes-Basis bei internationalen Rüstungsmessen an. So bei der FIDAE 2008 in Chile und bei der Eurosatory 2008 in Frankreich. Vier Raketenwerfer hat Georgien 2007 importiert. Weitere sollten 2008 folgen. Israel verkauft Waffensysteme mit Streumunition, obwohl es nach dem Libanonfeldzug 2006 selbst weltweit in der Kritik stand. In den letzten Kriegstagen hatte Israels Armee den südlichen Libanon teils flächendeckend mit solchen Waffen beschossen. Sie wurden zu einer tödlichen Gefahr für die zurückkehrende Zivilbevölkerung und forderten so große Opfer, dass der Einsatz anschließend auch in Israel offiziell untersucht werden musste. Die vom Export lebende israelische Rüstungsindustrie aber lässt sich nicht beirren und bietet ihre Waffen weiter an. Israel will dem Vertrag über ein Verbot von Streumunition nicht betreten.

Die Lieferungen nach Georgien berühren die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung. Sie will im Dezember zu den ersten Staaten gehören, die den Vertrag über ein Verbot von Streuminen unterzeichnen. Außenminister Steinmeier will ein "unübersehbares Zeichen setzen" und andere Staaten überzeugen, es Deutschland nachzutun. Auch, wenn Georgien letztlich von Israel beliefert wird, bleibt Deutschland berührt. Israel produziert keine Mercedes-Lkw. Die müssen beim Hersteller zugekauft werden. Und der ist in Stuttgart zu Hause. Der Export schwerer Actros-Lkw, auch wenn es sich um geländegängige, militärische Versionen handelt, ist meist ohne staatliche Genehmigung möglich. Nur wenn der Importeur in einem Embargoland wie zum Beispiel Syrien beheimatet ist, bedarf es manchmal einer Erlaubnis. Jürgen Grässlin, den Sprecher der kritischen Daimler-Aktionäre, ärgert das schon lange: "Bei schweren Lkw und starken Dieselmotoren tut die Bundesregierung oft so, als seien Rüstungsgüter keine Rüstungsgüter, nur weil es auch zivile Verwendungen gibt. Das ist Außenwirtschaftsförderung, aber garantiert keine restriktive Rüstungsexportkontrolle."

Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS

Quelle: BITS   - 26.08.2008. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Otfried Nassauer.

Veröffentlicht am

26. August 2008

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