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Nach dem Krieg ist vor dem Frieden - Der Kaukasus braucht eine konsequente Politik des Gewaltverzichts

Erklärung des Geschäftsführenden Vorstandes von pax christi


Nach dem Fünf-Tage-Krieg in Georgien droht eine neue, längst überwunden geglaubte Ost-West-Konfrontation. In dieser Situation erklärt der Geschäftsführende Vorstand der deutschen Sektion der internationalen katholischen Friedensbewegung pax christi:

Nach den Militärschlägen Georgiens gegen das abtrünnige Südossetien und den Panzer und Bombenangriffen Russlands auf georgische Städte sollen nun die Waffen schweigen, doch sie tun es noch immer nicht überall. Die Folgen dieses georgisch-russischen Krieges sind verheerend, die Leiden der Zivilbevölkerung und vor allem der Flüchtlinge kaum zu ermessen. Wieder einmal hat der Krieg als ‚Mittel der Politik’ seine grausame Fratze gezeigt. Russland hat seine militärische Überlegenheit und seinen Machtanspruch im Kaukasus demonstriert - doch alle Konflikte, die der Konfrontation zu Grunde liegen, sind ungelöst geblieben.

Für einen langfristigen Frieden in der Region und darüber hinaus müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein: Es wird keinen tragfähigen Frieden geben,

  • solange das Selbstbestimmungsrecht von kleinen, abhängigen Völkern missachtet wird. Die europäische Gemeinschaft sollte einen gewaltfreien Weg Südossetiens und Abchasiens in die Autonomie begleiten und einen Ausgleich mit den Interessen Georgiens und Russlands fördern. Eine Anerkennung und Unterstützung von Staaten, die sich einseitig als unabhängig erklären, sollte grundsätzlich an eine demokratische Verfassung und an den Schutz ihrer Minderheiten gebunden sein.
  • solange es in Nationalstaaten unterprivilegierte Ethnien und Gruppen gibt. Die EU muss eine Außenpolitik betreiben, die sich in erster Linie an den Menschenrechten orientiert. Staaten, die ihre Minderheiten unterdrücken oder Völker zwangsweise unter ihrer Herrschaft halten, können keine geeigneten Bündnispartner sein.
  • solange ein Konflikt zwischen der territorialen Integrität eines Staates einerseits und dem Selbstbestimmungsrecht eines Volkes andererseits völkerrechtlich unweigerlich in ein Dilemma führt. Gemeinsam mit anderen europäischen Staaten sollte die Bundesregierung sich bei den Vereinten Nationen für ein konsensfähiges Procedere einsetzen, mit dem solche Konflikte friedlich-schiedlich gelöst werden können.
  • solange der Kampf um knappe Ressourcen und Energiesicherheit eigennützig und rücksichtslos geführt wird. Es bedarf einer Neuorientierung der europäischen Energiepolitik, die für einen fairen Interessensausgleich zwischen Förder-, Transit- und Verbraucherländern von Öl und Gas sorgt, mit Hilfe von verlässlichen multilateralen Verträgen im Rahmen der OSZE.
  • solange die USA und Russland eine neue Ost-West-Konfrontation heraufbeschwören, an der niemandem gelegen sein kann. Die Bundesregierung sollte innerhalb der westlichen Bündnisse für eine glaubwürdige Sicherheitspartnerschaft mit Russland eintreten. Nur so kann dem Drang Russlands entgegengewirkt werden, sich mit der Protektionierung schwacher Nachbarn eine Vormachtsstellung zu verschaffen. Um den regionalen Konflikt nicht zu verschärfen, muss die NATO auf eine Ausdehnung ihres Einflussbereichs dort verzichten.
  • solange ein neues Wettrüsten droht. Durch die Pläne für ein US-amerikanisches Raketenabwehrschild in Polen und Tschechien und durch die Drohung Russlands mit Gegenmaßnahmen ist eine Situation des Misstrauens und der Instabilität entstanden. Sie kann nur mit neuen vertrauensbildenden Maßnahmen und Anstrengungen zur Rüstungsbegrenzung, zu einer umfassenden Rüstungskontrolle und schrittweisen Abrüstung überwunden werden.
  • solange bisher erreichte Standards des Völkerrechts und Grundlagen für die zivile Lösung von Konflikten aus nationalen machtpolitischen Interessen missachtet werden. Die Außenpolitik der EU muss sich konsequent an der Friedenspflicht des Völkerrechts orientieren. Die Bundesregierung sollte sich für eine Wiederbelebung der "Charta von Paris für eine Neues Europa" einsetzen, mit der sich die OSZE 1990 auf die Entwicklung von Mechanismen zur Verhütung und gewaltfreien Lösung von Konflikten verpflichtete. Sie sollte alles dafür tun, dass die Rolle der OSZE bei der Schaffung einer gemeinsamen Sicherheit gestärkt wird. Kategorien wie die "Bestrafung" von Gegnern und die "Vergeltung" für aggressive Handlungen gehören geächtet und aus der internationalen Politik verbannt, während gleichzeitig die Kriegsverbrecher aller Seiten zur Verantwortung zu ziehen sind.

Pax christi fordert mittelfristig einen Friedensplan für die Kaukasus-Region, der die berechtigten Interessen sowohl Georgiens, Südossetiens und Abchasiens als auch Russlands berücksichtigt. Die Bundesregierung sollte ihre Bemühungen um eine Deeskalation des Konflikts verstärken und ihren Beitrag zu weiteren Vermittlungsbemühungen leisten.

Zugleich appelliert pax christi an die Bundesregierung, sich unverzüglich an Maßnahmen zur Unterstützung der Flüchtlinge in der Region und zum Wiederaufbau der zerstörten Städte zu beteiligen.

Pax christi selbst will durch Mahnwachen, Schweigekreise und Friedensgebete auf die Situation der Betroffenen im Kaukasus aufmerksam machen und die Hoffnung auf gewaltfreie Lösungen bekräftigen.

Quelle: pax christi Deutschland , Erklärung des Geschäftsführenden Vorstands vom 19.08.2008

Veröffentlicht am

20. August 2008

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