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Das Imperium wird zurückschlagen - nur wann?

Ketten- und Kurzschlussreaktionen denkbar: Der Iran verstößt den Dollar und muss sich auf noch härtere Sanktionen einstellen


Von Michael R. Krätke

Vor wenigen Tagen hat die Islamische Republik ihre Drohung wahr gemacht: Dollars werden nicht mehr akzeptiert und sämtliche außenwirtschaftliche Transaktionen des Landes auf Euro oder Yen umgestellt. Seit September bereits wurde ein Großteil der iranischen Ölausfuhren nicht mehr in Dollar, sondern in Yen abgerechnet - Japan ist der mit Abstand wichtigste Abnehmer für iranisches Erdöl, der Iran für die pazifische Macht der drittwichtigste Lieferant. Nun mussten auch die übrigen europäischen und asiatischen Handelspartner des drittgrößten Erdölexporteurs der Welt akzeptieren, dass Teheran keine US-Währung mehr haben will.

Die iranische Zentralbank ist dabei, ihre Dollarreserven abzustoßen, sie will den Dollar-Anteil an ihren Devisenreserven auf unter 20 Prozent drücken - sie wird möglicherweise noch weitergehen und ihre Dollarreserven ganz auflösen, um sie durch Euro oder Yen zu ersetzen. Das iranische Dollardepot akkumuliert zwar nur etwa 60 Milliarden, aber das - auf den Markt geworfen - dürfte reichen, um die Talfahrt des Dollarkurses zu beschleunigen. Der nächste Schritt, bereits mehrfach angekündigt, scheint nur noch eine Frage der Zeit: Die Eröffnung einer iranischen Ölbörse, an der allein in Euro gehandelt wird. Bislang sind zwei renommierte Börsen auf dieses Geschäft abonniert - die New Yorker NYMEX und die IPE (International Petroleum Exchange) in London. Beide gehören US-Unternehmen, an beiden wird in Dollar gehandelt - tritt eine iranische Ölbörse zu ihrer Jungfernfahrt an, dürfte sich das Gros der europäischen und asiatischen Importeure sofort dort tummeln. Es wäre ein weiterer harter Schlag gegen die Vormachtstellung des Dollars.

Die Konsequenzen liegen klar auf der Hand. Jedermann könnte fortan Öl mit Euro kaufen, die Europäer und die Chinesen und die Japaner wären die schwächelnde Währung los, die Ölpreise würden sich beruhigen. Namentlich die asiatischen Zentralbanken könnten ihre von ständigen Wertverlusten bedrohten Dollarbestände kräftig reduzieren.

Die Weltmacht der USA beruht auf ihrer militärischen Übermacht und auf einem Weltwährungsregime, in dem die US-Währung de facto als Weltgeld fungiert: Fast 80 Prozent des Welthandels und 100 Prozent des globalen Ölhandels wurden bis vor kurzem noch in Dollar abgewickelt (täglich 5,5 Milliarden, 1.500 Milliarden pro Jahr), die Finanzmärkte der Welt sind ebenfalls überwiegend Dollar-Märkte. Es steht außer Frage: Das System des Petrodollar, seit fast 40 Jahren in Kraft und eingespielt, ist einer der Pfeiler dieses Regimes. Hunderte Milliarden fließen jedes Jahr aus den Gewinnen der Erdölexporteure in die USA zurück. Mit den Petrodollars kaufen diese Mega-Unternehmen amerikanische Wertpapiere - vor allem US-Staatsanleihen - und finanzieren so das gigantische Leistungsbilanz- und Budgetdefizit der Vereinigten Staaten. Schwenken nun mehrere große Erdölexporteure vom Dollar zum Euro (oder Yen), gerät das System aus den Fugen.

Die USA haben allen Grund, dann einen Domino-Effekt zu fürchten: Weitere ölexportierende Länder könnten dem Vorbild des Iran folgen, in Venezuela, Russland und Norwegen ist der Abschied vom Dollar schon fast beschlossene Sache. Die iranische Aktion bietet eine willkommene Gelegenheit, um ernst zu machen. Saudi-Arabien hat des Öfteren laut mit diesem Gedanken gespielt, diplomatischer Erfolg im Streit mit dem großen Bruder USA war garantiert. Auch Frankreich engagiert sich offiziell für eine deutlich stärkere Rolle des Euro im internationalen Ölgeschäft. Der Irak hatte noch unter dem Regime Saddam Husseins Ende 2000 die Abrechnung seines Ölhandels von Dollar auf Euro umgestellt - nach der Eroberung des Landes im April 2003 wurde das sofort wieder aufgehoben.

Der iranische Vorstoß signalisiert den Amerikanern vor allem eines, die Flucht aus dem US-Dollar hat unwiderruflich begonnen. In Asien, in Lateinamerika und im Mittleren Osten gibt es Länder, die eine Bindung ihrer Währungen an den Dollar aufgeben. Immer weniger Zentralbanken außerhalb der USA sind bereit und in der Lage, den fallenden Dollar zu Lasten ihrer eigenen Volkswirtschaften zu stützen.

Der Krieg der Sanktionen gegen die vermeintliche Atommacht Iran wird durch die jetzt in Teheran getroffene Entscheidung angefacht wie kaum je zuvor. Die USA geraten unter Zugzwang, und die Bush-Regierung ist nicht bekannt für intelligente Spielzüge. Hinter den Sanktionen steht die Option des heißen Krieges. Da der Iran nicht kapituliert, sondern mit legitimen ökonomischen Mitteln die Sanktionspolitik der USA pariert, ist eine Eskalation absehbar. Auf der Vormacht des Dollars beruht die militärische Fähigkeit der USA, notfalls auf Pump Kriege zu führen, die sich der amerikanische Staat wie die amerikanische Ökonomie schon lange nicht mehr leisten können. Das Imperium wird zurückschlagen, fragt sich nur, wie und wann.

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung   44 vom 02.11.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

04. November 2007

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