Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Cocktailparty oder Bombenteppich

In Front: Die Bundesrepublik Deutschland als Global Player bei Rüstungsausgaben und auf dem internationalen Waffenbasar


Von Hans Wallow

Die weltweiten Rüstungsausgaben stiegen 2006 auf 1,204 Billionen Dollar und erreichten damit eine Dimension wie im Jahr 1988 gegen Ende des Kalten Krieges, diagnostizierte das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI gerade in seinem Jahresreport. Allein auf die USA entfielen 45 Prozent aller Aufwendungen, auf den Rest der NATO-Staaten 20 Prozent. Das heißt, zwei von drei Rüstungsdollars werden durch den Nordatlantikpakt ausgegeben.

Obwohl von Demokratien umzingelt, sorgte die rot-grüne Koalition dafür, dass zwischen 1998 und 2005 der Verteidigungshaushalt kontinuierlich um durchschnittlich 700 Millionen Euro pro Jahr wachsen konnte. Schwarz-Rot bringt es nun im laufenden Haushaltsjahr auf 28,4 Milliarden Euro - die vorzugsweise dafür gedacht sind, neues Kriegsgerät zu erwerben, das die Angriffsfähigkeit der Bundeswehr steigert, obgleich die deutschen Streitkräfte laut Grundgesetz allein zur Verteidigung bestellt sind. Die Marschrichtung für mehr Steuergelder via Rüstung gibt Ludolf von Wartenberg vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mit den Worten vor: “Deutsche Mitsprache bei der Gestaltung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in der EU und der Sicherheitspolitik des Bündnisses wie deutsche Mitsprache im Rahmen der europäischen und transatlantischen Zusammenarbeit setzen voraus, dass Deutschland auch Rüstungsfähigkeit einbringen kann.” Und Tim Meyer, sein Kollege von der BDI-Abteilung für öffentliche Aufträge, fordert, dass der Verteidigungsetat für die nächsten zehn Jahre um jeweils 2,7 Milliarden steigen müsse.

Das Startzeichen für den definitiven Umbau der Bundeswehr von einer verfassungsgemäßen Verteidigungsarmee zu einer das Grundgesetz ignorierenden Interventionsstreitmacht gab der SPD-Kanzler Schröder im November 1999 auf einer Kommandeurstagung der Bundeswehr. Wenige Monate zuvor hatte er durch deutsche ERC-Tornados vom Jagdbombergeschwader 32 aus Lechfeld die jugoslawische Luftabwehr mit HARM-Raketen der US-Firma Texas Instruments bombardieren lassen. Die 236 von deutschen Kampfpiloten abgefeuerten Raketen zum Stückpreis von 200.000 Dollar hinterließen eine Vielzahl von Toten und Verkrüppelten. Schröder führte vor seinen Spitzenmilitärs aus, wir stünden “vor einer entscheidenden Weichenstellung deutscher Sicherheitspolitik”, die “durchaus verglichen werden kann mit der Situation in den fünfziger Jahren, als es darum ging, Deutschland verteidigungsfähig zu machen.” Einsätze der Bundeswehr würden in Zukunft “bis hin zu militärischen Optionen bei humanitären Einsätzen oder bei der Durchsetzung von Bündnisverpflichtungen reichen”. Im Klartext: Die Bundeswehr wurde von einer Verteidigungsarmee zur Angriffsmaschine.

Empfänge und Bälle

Laut Bundeswehrplanung von 1997 werden für 215 Rüstungsprojekte, die Einsätze außerhalb des NATO-Territoriums ermöglichen sollen, bis zum Jahr 2015 etwa 220 Milliarden Euro an Steuergeldern benötigt. Um jederzeit interventionsfähig zu sein, sollen besonders Luftwaffe und Marine davon profitieren. Von diesen 220 Milliarden entfallen daher nur 15 Prozent auf das Heer, während für die Luftwaffe 25 und für die Marine über 40 Prozent veranschlagt werden. Welche Bedeutung man der Marine zuerkennt, erklärt Dieter Stockfisch, Mitglied in deren Führungsstab, in der Zeitschrift Wehrtechnik wie folgt: “See- und Luftstreitkräfte sind Kräfte der ersten Stunde. In der Regel können sie aus dem Stand heraus flexibel und weiträumig eingesetzt werden - und damit eine zunächst politische Aufgabe erfüllen, nämlich Flagge zeigen und Präsenz und Entschlossenheit demonstrieren (…). Mit maritimen Mitteln hat man (…) immer die Wahl zwischen einer Cocktailparty oder einer Bombardierung.” Nach Stockfisch garantiert die Flotte künftig “die Politikfähigkeit unserer Nation”. Es sei daran erinnert, es ist die UN-Charta, die militärische Drohgebärden ausdrücklich verbietet.

Damit diese möglich bleiben, erhält die Marine dank des erwähnten Programms sieben neue Zerstörer und vier U-Boote im Gesamtwert von 7,7 Milliarden Euro. Als Kernstück wird ein Landungsschiff gebaut, von dem aus 800 Soldaten mit ihren schweren Waffen auf fremde Küsten stürmen können. Für die Luftwaffe sind 73 Militärtransporter A 400M, 180 Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter (ehemals Jäger 90) sowie 345 Kampfhubschrauber bewilligt. Hinzu kommen ein Luftabwehr- und Satellitenspionagesystem.

Allein der Militärtransporter A 400M wird dem deutsch-französisch-spanischen Rüstungskonzern EADS um die 25 Milliarden Euro in die Kassen spülen. Vergleichsstudien des Verteidigungsministeriums kamen zwar zu dem Ergebnis, dass die russisch-ukrainische Antonov An-72 wirtschaftlicher und dem EADS-Produkt technisch überlegen sei - den Zuschlag erhielt dennoch der 3,3 Milliarden teurere EADS-Lufttransporter.

Das darf niemanden wundern, aus einem Antrag der Linksfraktion des Bundestages (16/4488) erfährt man, dass dieser Konzern und sein Tochterunternehmen seit 2006 insgesamt 20 Empfänge, Bälle und Essen für das Verteidigungsministerium bezuschusst haben. Wie prächtig sich das Rüstungsgeschäft nach derartiger Pflege der politischen Landschaft entwickeln kann, bestätigte Stefan Zoller, Chef der EADS-Rüstungssparte, Anfang April 2007 auf einer Pressekonferenz: “Wir entwickeln uns zu einem Stabilitätsanker der EADS.” Will sagen: Ohne die Milliarden der Steuerzahler der beteiligten EU-Staaten geriete der Konzern ins Straucheln. Nach einem Rekordergebnis von 348 Millionen Euro Gewinn 2006 peilt die Rüstungsschmiede in diesem Jahr ein Ergebnis mindestens auf Vorjahreshöhe an, insgesamt sind Rüstungsaufträge für 53 Milliarden Euro akquiriert. Was die Steuerzahler im kommenden Jahrzehnt erwarten können, ließ Zoller schon einmal durchblicken: “Wir brauchen aber Anschlussaufträge für den Zeitraum nach der Auslieferung.”

Waffenhändler Deutschland

Auch beim Export von Waffen haben die Regierungen Kohl, Schröder und Merkel alle Skrupel verloren. Bis zum Regierungswechsel 1982 von Helmut Schmidt auf Helmut Kohl wurden die Gesetze, nach denen Waffen nicht in Krisengebiete geliefert werden dürfen, noch beachtet. Helmut Schmidt scheiterte als Kanzler in der SPD-Fraktion mit dem Versuch, sich Zustimmung für den Export von Leopard-2-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien holen zu wollen. Das Argument, dies sichere Arbeitsplätze, beeindruckte die Abgeordneten mehrheitlich nicht.

Dann jedoch verkaufte die Regierung Kohl ab 1990 Waffenbestände der NVA in die halbe Welt, alsbald hatte sich Deutschland nach den USA im Ranking auf dem Weltwaffenbasar auf Platz zwei hoch gearbeitet. Es war nun der Rüstungsindustrie erlaubt, Kampfpanzer, Spürpanzer sowie leichte Panzer vom Typ Dingo oder moderne U-Boote der Delphin-Klasse nach Israel zu exportieren. Allein diesen Transfer im Wert von damals 900 Millionen Mark finanzierte der Steuerzahler zu einem Drittel aus dem Bundeshaushalt. Heute sollen die deutschen Waffenexporte vor allem helfen, die Kosten für den Ausbau der Bundeswehr zur High-Tech-Armee zu senken.

Die demokratisch verfasste Bundesrepublik Deutschland folgt inzwischen, ohne dass es in der Gesellschaft eine Debatte darüber gegeben hätte, der simplen Devise: Mehr militärische Stärke verabreicht mehr politische Macht und garantiert zugleich wirtschaftlichen Erfolg. Eine Kausalität, die ebenso fragwürdig ist wie das Argument, Rüstungsaufträge schaffen Arbeitsplätze. Die UdSSR trieb dank ihrer Überrüstung dem Kollaps entgegen - während Japans Aufstieg zu einer der führenden Industrienationen nach 1945 durch militärische Abstinenz nicht behindert wurde.

Die Rüstungsindustrie ist durch die größtenteils staatliche Nachfrage zur Hälfte Staatswirtschaft und wird von der Gemeinschaft der Steuerzahler alimentiert. Das unternehmerische Risiko der Konzerne tendiert gegen Null, die horrenden Gewinne freilich werden privatisiert. Da Panzer, Kampfflugzeuge und Schlachtschiffe ökonomisch “wertunechte Güter” darstellen, wird deren Produktion nicht zuletzt von der katholischen Soziallehre als unethisch bewertet. Kritiker der Rüstungswirtschaft wie der US-Ökonom John Kenneth Galbraith wollen konjunkturelle Effekte der Rüstungsindustrie zwar nicht leugnen, sagen aber, dass der Staat gleiche Wirkungen auch durch Ausgaben für Wohnungen, Kinder-, Freizeit- und Bildungseinrichtungen erreichen kann.

Der Autor saß in drei Legislaturperioden für die SPD als Abgeordneter im Deutschen Bundestag.

Quelle: Freitag   - Die Ost-West-Wochenzeitung 25 vom 22.06.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

26. Juni 2007

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von