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Die Fortführung des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr steht neu zur Debatte

Von Reinhard J. Voß

Die Anschläge auf deutsche Soldaten und afghanische Zivilisten vom letzten Wochenende haben mit Recht tiefe Betroffenheit und Bestürzung hervorgerufen. pax christi spricht den Angehörigen der getöteten Soldaten ihr Beileid aus. Der Anschlag in Kunduz auf Soldaten, die sich offen und vertrauensvoll zwischen der Bevölkerung aufhalten, ist besonders tragisch, weil die Soldaten in einem Einsatz für den nationalen Wiederaufbau (ISAF) engagiert sind. Der Anschlag zeigt aber vor allem, dass sich die tödliche Spirale der Gewalt immer schneller dreht und ausweitet. Deshalb ist die Frage nach dem Sinn dieses Einsatzes neu aufgeworfen.

Genau davor hat pax christi seit Anfang dieses Jahres gewarnt und deshalb auch den Tornadoeinsatz klar abgelehnt. Die Trennung zwischen der Aufbaumission ISAF und dem seit 2001 anhaltenden Krieg im Rahmen der US-geführten “Operation Enduring Freedom” (OEF) kann - so sagen es immer mehr deutsche Politiker offen - nicht länger aufrechterhalten werden. Auch politisch engagierte Soldaten (etwa der Arbeitskreis Darmstädter Signal) warnten schon lange vor einer weiteren Eskalation und Vermischung: “Die politisch getrennten Ziele des Wiederaufbaus Afghanistans und die Bekämpfung regierungsfeindlicher Organisationen und Gruppen, auf die die Bundesregierung bisher zu Recht Wert gelegt hat, sind bereits so weit vermischt, dass sich schon jetzt die Sicherheitslage in Kabul wie auch im Einsatzgebiet der Bundeswehr im Norden drastisch verschlechtert hat.” Und nach dem Attentat dieser Woche fragt auch der Bundeswehrverband deutlicher nach dem Sinn des Einsatzes.

pax christi erinnert daran: Der deutsche Auslandseinsatz in Afghanistan ist verfassungsrechtlich umstritten, politisch fragwürdig und finanziell unverhältnismäßig: allein der Tornadoeinsatz wird nach Expertenschätzung in 6 Monaten 50 Mio Euro betragen, während für die zivile Aufbauhilfe jährlich nur 80 Mio Euro pro Jahr von Deutschland für Afghanistan aufgebracht werden.

Hier wird eine Fortentwicklung des Nato-Vertrags vorangetrieben, die nicht mehr von der einstigen Zustimmung des Bundestages gedeckt ist. Die Nato beteiligt sich an einem militärischen Einsatz, der keinen Bezug mehr zur Sicherheit im euro-atlantischen Raum aufzeigt. Der deutsche Einsatz in Afghanistan ist nur noch zu verantworten, wenn die Trennung beider Mandate (ISAF und OEF) klar aufrechterhalten wird. Derzeit ist deutlich spürbar, dass der Rückhalt in der afghanischen Bevölkerung für den internationalen Einsatz schwindet, da die Koalitionstruppen den Schutz der Zivilbevölkerung nicht mehr glaubwürdig garantieren und im Gegenteil immer mehr Zivilisten bei Bombardements und Militäreinsätzen umkommen. Die “korrupte Karsai-Regierung” (General Reinhardt in der Phoenix-Runde am 23.5.2007) treibt den zivilen Aufbau ungenügend voran und tastet den Drogenanbau nicht an. Besonders die Unterminierung der Glaubwürdigkeit zivilgesellschaftlicher Wiederaufbauhilfe und Entwicklungsarbeit durch militärische Ziele (“zivil-militärische Zusammenarbeit”) wird zunehmend als Problem erkannt.

Was Afghanistan stattdessen braucht, ist ein tragfähiges Konzept für friedliche Entwicklung und Wiederaufbau, für nationale Verhandlungen unter Einschluss aller Kräfte - auch der Taliban und Warlords, für eine Reduzierung des Drogenanbaus und seine Umstellung auf rein medizinische Zwecke, für die Förderung von Ökonomie und Bildung statt Granaten und Bomben. In Deutschland ist ein grundlegendes Überdenken des militärischen Sicherheitsbegriffs und solcher Auslandseinsätze nötig. Es fehlen ein politischer Zielkatalog und ein Abzugsplan für das Militär. Deutschland verstrickt sich mit einem pervertierten Glaubwürdigkeitspathos ab sofort immer tiefer in den militärischen Konflikt. Das Parlament muss im Herbst 2007 den KSK-Einsatz und die Tornado-Flüge im Rahmen der OEF beenden und sollte das ISAF-Mandat nur verlängern, wenn eine völlige Trennung von der Operation Enduring Freedom garantiert werden kann.

Reinhard Voß ist Generalsekretär von pax christi Deutschland

Quelle: pax christi Deutschland   - Pressemitteilung vom 24.05.2007

Veröffentlicht am

25. Mai 2007

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