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Es wird noch wärmer

G 8-Gipfel: Grünes Licht für den neuen Klima-Imperialismus?

Von Elmar Altvater

Die Erde heizt sich von Jahr zu Jahr weiter auf, und es ist nicht mehr zu leugnen, dass der Treibhauseffekt vom Menschen verursacht wird. Verantwortlich sind die Emissionen von Treibhausgasen vor allem bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle und Öl - sie blockieren die Wärmeabstrahlung ins All.

Vor der Industrialisierung lag die Konzentration von Kohlendioxid bei unter 300 ppm (300 Moleküle auf eine Million Luftmoleküle), heute liegt sie bei knapp unter 400 ppm, und jeder weitere Anstieg steigert die Erdmitteltemperatur mit desaströsen Folgen. Küstenlandstriche verschwinden in den ansteigenden Fluten der Weltmeere, darunter können sich große küstennahe Städte wie New York oder Shanghai befinden - Ernten fallen aus, der Hunger kehrt zurück, Trockenheiten oder sintflutartiger Regen, Hurricanes und Staubstürme häufen sich.

Doch was geht der Anstieg des Meeresspiegels eine Festlandratte an? Schmälert der Verlust an Artenvielfalt das Angebot von McDonald´s-Hamburgern? Sind Hitzestress und Hitzetod nicht auf Alte und Gebrechliche beschränkt? Und was haben schmelzende Gletscher mit meinen Ferien auf den Kanaren zu tun? Inzwischen aber wissen wir, dass all dies ein Fünftel des globalen Sozialprodukts fressen und mithin zu beträchtlichen Wohlstandseinbußen führen wird. Das schreckt sogar die Bild-Zeitung auf. Der Treibhauseffekt hat auf einmal einen Preis, und der ist konkreter als die abstrakte Möglichkeit des Verschwindens von Küstenstädten. Ein schwerer Sturm über Europa verursacht Schäden von bis zu 60 Milliarden Euro.

Obwohl man dies alles weiß, haben in den G 7-Ländern (ohne Russland) die Treibhausgasemissionen von 1990 bis 2003 um 13,5 Prozent zugenommen. Ausgemacht war im Kyoto-Protokoll von 1995 - seit 2005 bindendes internationales Recht - eine minimale Reduktion von fünf Prozent. Aber die USA haben das Protokoll sowieso nicht unterzeichnet. Die EU versprach acht und Deutschland sogar 21 Prozent weniger Treibhausgase in der Atmosphäre, tatsächlich sind zwischen 1995 und 2003 die Emissionen in der EU mit ihren inzwischen 25 Mitgliedsstaaten um etwa fünf Prozent gewachsen. Klimarhetorik und Klimapolitik befinden sich im Widerspruch.

Umweltminister Gabriel trumpft zwar im Namen der Europäer auf einer Konferenz der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung in New York auf und weigert sich, das Abschlussdokument zu unterzeichnen, weil ihm die Maßnahmen zum Klimaschutz nicht ausreichend erscheinen. Aber dieser klimapolitische Paukenschlag galt wohl eher dem neu gewählten Vorsitzenden der Nachhaltigkeitskommission aus dem "Schurkenstaat" Simbabwe. Mit Umweltpolitik kann auch Weltpolitik gemacht werden. Oder was man dafür hält.

Keine Paukenschläge, bestenfalls zaghafte Töne sind denn auch von den G 8 in Heiligendamm zu erwarten, der Gipfel wird versuchen, Klima- und Wirtschaftspolitik miteinander zu versöhnen. Man setzt darauf, dass alle bei der Reduktion des Treibhausgases gewinnen können: besonders die Unternehmen, weil sie die Reduktion mit einem Effizienzzuwachs beim Energieeinsatz erreichen, in dessen Gefolge Kosten sinken und Gewinne steigen. Umweltschützer freuen sich über die Minderung der Treibhausgase, die Regierungen klopfen sich auf die Schulter und auch die Gewerkschaften sind mit Arbeitsplätzen in der zukunftsträchtigen Umwelt-Branche zufrieden.

Doch wenn man nicht nur die Effizienz des Energieeinsatzes steigert, sondern den Energieverbrauch einschränken und den Energiemix ändern muss, sind Konflikte unvermeidlich - das wissen alle Beteiligten. Schlitzohrig und vorsätzlich naiv setzen sie auf den Markt als der neutralen Regelungsinstanz anhängiger Klimakonflikte und erklären den Emissionshandel zum bevorzugten Instrument der Klimapolitik. Die Bundesregierung spricht gar vom "zentralen Instrument".

Doch selbst wenn bei den vielen technischen Mängeln des Emissionshandels nachgebessert wird, kann damit niemals die nötige Reduktion der Treibhausgasemissionen erreicht werden. Daran wird auch eine Maxikoalition von Befürwortern, bestehend aus Greenpeace und Germanwatch, den Energieversorgern, den Industrieverbänden, Finanzinvestoren, Teilen der Partei der Linken und last not least der Regierung, nichts ändern. Der Emissionshandel folgt der neoliberalen Agenda der möglichst weitgehenden Privatisierung aller öffentlichen und gemeinschaftlichen Güter: "In an atmosphere of privatisation, they privatised the atmosphere", heißt es in einem Manifest afrikanischer Umweltgruppen, die ihre Erfahrungen mit dem Emissionshandel gemacht haben und den so genannten "clean development mechanism" kennen. Dieser ermöglicht es transnationalen Konzernen, gemäß Kyoto-Protokoll Verschmutzungsrechte für ihre Dreckschleudern durch die Finanzierung zweifelhafter Projekte der Energieeinsparung oder Wiederaufforstung in der III. Welt zu erwerben - die Afrikaner sprechen vom "neuen Klima-Imperialimus".

Außerdem wird mit dem Markt für Verschmutzungsrechte ein neues Feld der Kapitalanlage eröffnet, auf dem sich Finanzinvestoren tummeln. Die Weltbank ist euphorisch: Das auf diesem Markt präsente Kapital habe sich allein von 2005 bis 2006 von 10 auf 30 Milliarden Dollar verdreifacht. Eine neue Industrie entsteht, die nicht mehr mit Produktion und Verkauf von Gebrauchswerten ihren Profit erzielt, sondern daran interessiert ist, dass Verschmutzungsrechte gehandelt werden - die Kohlendioxidemissionen also bleiben.

Man kann nur hoffen, dass diese Absurdität von Klimapolitik nicht das letzte Wort ist, denn es würde dadurch noch wärmer im Treibhaus Erde. Nicht die erste Katastrophe in der Geschichte der Menschheit, zu der es kommt, weil kurzfristige Gewinninteressen über existenzielle zivilisatorische Belange triumphieren.

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung   21 vom 25.05.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Elmar Altvater und der Redaktion.

Veröffentlicht am

24. Mai 2007

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