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Tödliche Selbstzufriedenheit

Von Desmond Tutu - ZNet 11.05.2007

Was wäre, wenn man gegen die Klimaveränderung mehr unternehmen müsste, als einen Schalter umzulegen? Würden unsere Freunde in der industrialisierten Welt umdenken, wenn der Klimawandel größere Auswirkungen auf sie selbst hätte - als lediglich mehr Sommermonate und die Ankunft neuer exotischer Arten? Besänftigt und eingelullt genossen sie das Privileg der geistigen Verdrängung dessen, was wirklich vor sich ging in der wertvollen und gleichzeitig so fragilen Atmosphäre, die den Planeten umgibt, auf dem wir leben. Wo der Klimawandel sich in der industrialisierten Welt bemerkbar gemacht hat, lief es bislang relativ glimpflich ab - abgesehen von Ereignissen wie Hurrikan ‘Katrina’ 2005. Die Bewohner Nordamerikas und Europas haben bisher nur den Hauch des ‘Windes der Veränderung’ zu spüren bekommen.

Ich frage mich, wären diese Leute nicht viel, viel ängstlicher, wenn sie vom Zyklus der Mutter Natur abhängig wären, um ihre Familien zu ernähren? Um wie Vieles größer wäre ihre Sorge, wenn sie in einem Slum lebten oder in einem Township aus Lehmhütten oder wenn ihr Obdach aus Plastiktüten bestünde? Das ist die Realität in weiten Teilen Afrikas unterhalb der Saharazone. Die Armen, die Verletzlichen, die Hungernden sind dem Klimawandel am härtesten ausgeliefert - jeden Tag ihres Lebens.

Das Schmelzen des Schnees auf dem Gipfel des Kilimanscharo ist ein Warnsignal dieser Veränderungen in Afrika. Überall auf diesem wunderschönen aber verletzlichen Kontinent spüren Menschen, dass sich das Wetter verändert. Ob Dürre oder Regen - das Resultat ist immer das gleiche: noch mehr Hunger und Leid für Millionen von Menschen am Rande der globalen Gesellschaft. Selbst für Orte wie Dafur spielt der Klimawandel eine Rolle, denn in den halbtrockenen Zonen dieser Erde findet ein harter Verteilungskampf um Weideland und Wasserstellen statt. Immer weniger Wasser für immer größere Populationen - da ist der Konflikt jedes Mal vorprogrammiert.

Viele Länder, in denen die Ärmsten leben, haben Regierungen, die kaum gerüstet sind. Wenn ‘Katrina’ schon für die USA eine Herausforderung war, wie sollte es uns da wundern, dass die jährliche Zyklon-Saison vor der Ostküste Afrikas die Regierungen von Mozambique und Madagaskar zunehmend an ihre Grenzen bringt? Wo die Regierungen schwach sind, wächst die Abhängigkeit von humanitären Agenturen.

Wer für eine Organisation wie beispielsweise das Welternährungsprogramm der UNO arbeitet, sieht sich als Mitarbeiter einer humanitären “Wachstumsbranche”. Über 850 Millionen Menschen wissen aus eigener Erfahrung, was es heißt zu hungern, und Jahr für Jahr kommen weitere 4 Millionen hinzu. Die zunehmenden Naturkatastrophen lassen den Kampf gegen den Hunger zu einer noch größeren Herausforderung werden. Nach Schätzungen der ‘Weltbank’ hat sich die Zahl der Naturkatastrophen seit 1975 vervierfacht. 1975 waren es 100 pro Jahr, 2005 waren es 400.

In den vergangenen 10 Jahren hatten 2,6 Milliarden Menschen unter den Folgen von Naturkatastrophen zu leiden. Das sind mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung. Die meisten davon lebten in Entwicklungsländern. Die humanitären Folgen sind offensichtlich. Nicht ganz so offensichtlich ist, in welchem Maße diese klimatischen Ereignisse positive Entwicklungen, die über Jahrzehnte errungen wurden, wieder zunichte machen. Dürren und Fluten zerstören nicht nur Leben sondern auch Schulen und Ökonomien, sie vernichten Chancen.

Jedes Kind kennt die Geschichte von den drei kleinen Schweinchen und dem großen, bösen Wolf. In unserer realen Welt ist der Klimawandel der böse Wolf. Über das mit Stroh gedeckte Haus und das Holzlatten-Haus ist er bereits hergefallen. Deren Bewohner klopfen nun an die Pforte des gemauerten Hauses, in dem die Menschen der entwickelten Welt leben. Unsere Freunde in der entwickelten Welt sollten dies im Hinterkopf behalten, wenn sie das nächste Mal an ihrem Thermostat drehen. Die Probleme der Bauern in Mozambique mögen ihnen weit hergeholt erscheinen, aber vielleicht dauert es nicht mehr lange, bis diese Probleme an ihre Küste gespült werden.

Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu ist der ehemalige Erzbischof von Cape Town/Südafrika.

Quelle: ZNet Deutschland   vom 13.05.2007. Übersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel: “This fatal complacency” .

Veröffentlicht am

14. Mai 2007

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