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Teheraner “Geschenk”

Von Karl Grobe - Kommentar

Die Briten sind frei. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat die im Golf gefangen genommenen Soldaten am Mittwoch auf ungewöhnliche Art “dem britischen Volk geschenkt”, während einer Pressekonferenz, und nicht ohne eine Geste zur Wahrung des eigenen Gesichts damit zu verbinden. Drei Küstenwächter, welche die 15 Briten im umstrittenen Seegrenzgebiet aufgegriffen hatten, bekamen Orden. Für das Publikum musste das so inszeniert werden. Nicht wegen der Gerechtigkeit, sondern zu Ehren des Geburtstags des Propheten und aus Anlass des iranischen Neujahrs; ein Gnadenakt, beileibe keine Kapitulation.

Doch Irans Mächtige sind zurückgewichen. Die martialische Sprache der ersten Tage nach der Gefangennahme hatten sie vorher gedämpft. Syrische Vermittlung mag ebenso zum Einlenken beigetragen haben wie die in Teheran nicht vorher vermutete Geschlossenheit des UN-Sicherheitsrats in der Sanktionsfrage, das Einschwenken Moskaus und Pekings auf eine härtere, wenngleich nicht ganz harte Linie. Ebenso haben sich besonnenere Politiker in der iranischen Hintergrundszene offensichtlich dafür verwendet, den Ton zu mäßigen und maßvoll zu handeln .

Ahmadinedschads Fraktion hat den kalten Hauch der Isolation gespürt. Dazu das Wetterleuchten eines anderen Unheils. Moskaus Militär-Geheimdienst hat seit Tagen die Meldung verbreitet, genau am Karfreitag werde die geballte Macht der USA einen Militärschlag gegen die Atomeinrichtungen des Iran führen, und Details beigefügt, welche die Nachricht glaubwürdig erscheinen ließen. Das kann nun Makulatur geworden sein. Gewirkt hat es wahrscheinlich, so dass Teheran die Gegenforderung gar nicht erst stellen mochte, die iranischen Staatsangehörigen, welche von den USA und der Bagdader Regierung im Irak festgesetzt worden sind, im Austausch zurückzufordern.

Ein Einlenken - oder, wie es in Teheran dargestellt wird, ein Gnadenakt - hebt allerdings die Spannungen und die Interessengegensätze nicht auf. Die anfangs so wichtig erscheinende Frage nach der iranisch-irakischen Seegrenze ist weiterhin unbeantwortet. Die Grenze ist nie verbindlich definiert, geschweige denn alle zehn Jahre neu diskutiert worden, wie es 1975 vertraglich vereinbart worden ist. Diese Kleinigkeit zu regeln, ist einfach.

Weniger leicht lösbar ist der Interessenkonflikt zwischen dem Iran einerseits, den USA, den Golfstaaten und Saudi-Arabien andererseits, von deren unterschiedlichen Positionen ganz abgesehen. Die Akzeptanz der Stellung Irans als Regionalmacht ist das überwölbende Thema. Dessen andere Seite betrifft die strategischen Interessen der USA im Golf und weit darüber hinaus in der gesamten Region Nahost.

Der Widerspruch reicht in die Bürgerkriegsfronten Iraks; Stellvertreterkrieg mit Ölgeruch ist ein Teil des Konfliktgewebes. Dort hatte vor einigen Monaten die Irak-Studiengruppe in den USA angesetzt, die Beteiligung Irans und Syriens an Lösungsbestrebungen geradewegs zur Voraussetzung gemacht - und damit den Zorn der Bush-Falken in Washington auf sich gezogen. Der Besuch der demokratischen Politikerin Nancy Pelosi in Damaskus, der dieser Linie folgt, hat gerade deswegen den US-Präsidenten so erbost.

Nimmt man diese Entwicklungen zusammen, so zeigt sich, dass Diplomatie, gewiss ohne übermäßige Sanftheit, das Mittel der Wahl zur Konfliktbewältigung ist. Und ferner, dass jeder Konflikt in der Region mit jedem anderen verwoben ist. Die Diplomatie (gerade auch Europas) hat sich folglich einer umfassenden Friedensordnung zuzuwenden, vom palästinensischen bis zum iranischen Konflikt.

Auch Teheran, um es zu wiederholen, muss einbezogen werden. Der Charakter des Regimes ist durch Ahmadinedschads Freilassungsedikt nicht verändert; je leiser aber die Waffen klirren, desto weniger kann es den Nationalismus mobilisieren. Und je weniger es dies kann kann, desto größer sind die Aussichten auf Wandel.

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 05.04.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

05. April 2007

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