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Der Händedruck von Bagdad

Von Karl Grobe

Einsicht hat Iraner und Syrer, die Arabische Liga, die USA, die Türkei und noch andere nach Bagdad geführt. Die Einsicht, dass militärische Machtmittel allein nicht genügen, das Gewirr der vielen Bürgerkriegs- und Terrorfronten im Irak aufzudröseln. Bezeichnend, dass sowohl der oberste US-General in Bagdad, David Petraeus, als auch - lange vor ihm - die zivile Baker-Kommission das erkannt haben, die für den tödlichen Konflikt verantwortlichen Politiker aber viel Zeit brauchten. Das Treffen hoher Vertreter aus Washington, Teheran und Damaskus stellt eine neue Entwicklung in Aussicht; noch im Januar hatten weder US-Präsident Bush noch Irans Wortführer das für sinnvoll gehalten. Über Händedruck und gelegentlich sehr laute Worte reichte es aber in Bagdad nicht hinaus.

Die Interessenlage ist unverändert. Die alte Feindschaft zwischen den USA und Iran ist eine Bestimmungsgröße der irakischen Innenpolitik geblieben. Die schiitischen Mehrheitsparteien in Bagdad und die Vertreter Kurdistans denken nicht daran, den sunnitischen (teils recht säkularen) Kräften Anteile an der von der Besatzung geborgten Macht abzutreten. Iran denkt nicht ernsthaft daran, das Bündnis mit den aus dem Teheraner Exil stammenden schiitischen Amtsträgern aufzugeben. Arabische Regierungen, voran die saudische, bestehen auf stärkerer sunnitischer Beteiligung an der Regierung.

Dahinter scheint eine Lebenslüge der gegenwärtigen Bagdader Regierer auf - die Legende, die Sunniten seien Saddam Husseins Diktaturinstrument gewesen. Der Diktator hat sich aber auf seine weitere Verwandtschaft gestützt, einige sunnitische Clans; die Mehrheit der Sunniten war so unfrei wie die anderen. Die Gewaltapparate des Saddam-Systems waren religiös indifferent. Die andere Lebenslüge macht die Schiiten zu reinen Instrumenten iranischer Machtpolitik. Für einige Teheran-Heimkehrer traf das anfangs zu. Andere halten sich aus Opportunismus an die vermeintliche iranische Schutzmacht. Die ist nicht eben unglücklich über die Chance, die Konfessionsbrüder zu instrumentalisieren, um den Nachbarstaat klein und womöglich im Zustand der Handlungsunfähigkeit zu halten. Doch mindestens eine Fraktion in Teheran ist auch bereit, die schiitischen Freunde ebenso fallen zu lassen wie einst der Schah die irakischen Kurden.

Das heißt: Falls es irgendwann doch eine tragfähige Einigung zwischen Teheran und Washington geben sollte und der Preis stimmt, nimmt das iranische Regime die “schiitische Karte” aus dem Spiel. Da sie aber noch vorhanden ist, besteht für die wichtigsten Häupter der Arabischen Liga die Chance, sich als Schutzpatron der sunnitischen Minderheit darzustellen. Der Türkei wiederum ist fast alles recht, was die kurdische Autonomie im Zaum hält, so dass sie für die Kurden in Anatolien nicht allzu attraktiv wird.

Der US-Regierung befürchtet mit Gründen, sich alle regionalen Kräfte zum Feind zu machen. Sie möchte den Konflikt abschütteln, kann ihm aber nicht einfach davonlaufen, will sie nicht als Supermacht ein Scheitern eingestehen und die seit sechzig Jahren festgeschriebenen Interessen am nahöstlichen Erdöl in den Schornstein schreiben. Iran zur unkontrollierten Hegemonie aufsteigen zu lassen, ist sie erst recht nicht gewillt, unabhängig vom Charakter des Regimes.

Diese auswärtigen Interessen überschneiden sich auch nach der Bagdad-Konferenz. Die hat noch kein Mittel gefunden, den Absturz Iraks in die Anarchie abzufangen. Dazu gehört mehr als gute Absichten. Interne Agitatoren und terroristische Einwanderer können Sympathisanten und Gewalttäter rekrutieren, solange die elenden Existenzverhältnisse anhalten, unter denen die irakische Bevölkerung leidet. Ein umfassendes Aufbauprogramm - aufgemerkt, Europa! - ist dringend erforderlich. Es setzt den Aufbau souveräner Staatlichkeit voraus. Konferenzteilnehmer haben das diagnostiziert. Ein Heilmittel haben sie nicht gefunden.

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 12.03.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

13. März 2007

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