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Kongresswahlen in den USA: Rohes Fleisch für die Überzeugungstäter

Ausgerechnet jetzt laufen den Republikanern die Treuesten der Treuen davon

Von Konrad Ege

Am 7. November wird abgestimmt - über das gesamte Repräsentantenhaus sowie 33 der 100 Senatoren, beide derzeit kontrolliert von den Republikanern. 2006 wird jedoch, soviel steht schon fest, kein besonders gutes Jahr für George W. Bushs Partei. Der Krieg im Irak, Korruptionsskandale im Kongress, wirtschaftliche Unsicherheit - die größten Sorgen machen den republikanischen Kandidaten allerdings die konservativen Christen. Auch wenn darüber nicht laut gesprochen wird. Sollten diese Stammwähler zu Hause bleiben oder gar abtrünnig werden, können die Republikaner einpacken. Führende Persönlichkeiten rechtschristlicher Verbände sorgen sich ebenfalls um ihre Schäfchen (und um ihre Macht): Wer nicht zum Wählen geht, “sündigt”, warnte kürzlich James Dobson, Führer von Focus on the Family, einem der einflussreichsten konservativ-christlichen Verbände.

Keine Wählergruppe ist so wichtig für die Republikaner wie die weißen evangelikalen Christen. Sie stellen etwa ein Viertel der Bevölkerung. 2000 stimmten 68 Prozent dieser Spezies für George Bush, 2004 waren es gar 78 Prozent. (“Evangelikale” sind durch Bekehrungserlebnisse zu ihrem Glauben gekommene Christen; sie fühlen sich zum Missionieren berufen, sind konservativ und behaupten, die Bibel sei das unfehlbare Wort Gottes.) Jüngste Umfragewerte lassen nun aber aus republikanischer Sicht Schlimmes ahnen: Nach einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center wollen am 7. November nur mehr 57 Prozent der weißen Evangelikalen republikanisch wählen. Und unklar bleibt, wie viele überhaupt an die Wahlurnen zu treten gedenken.

Immer mehr entblößte Haut

In der Republikanischen Partei treffen sich letztendlich diejenigen, die ihren “way of life” bedroht sehen und ihre sozialen Privilegien verteidigen. Nur bröckelt im Augenblick das Bündnis der Verfechter einer “kleinen Regierung” und des “freien Marktes” (mit Steuererleichterungen vorrangig für Besserverdiener), der Schusswaffenbesitzer und patriotischen Militaristen, der Sozialkonservativen und rechten Christen. Diese Gruppierungen brauchen einander: Bushs Steuernachlässe für die Millionäre wären nicht mehrheitsfähig gewesen ohne den “christlichen” Segen. Als Dankeschön tolerieren die Freimarktwirtschaftler die rechtschristlichen Kampagnen für “Familienwerte” sowie gegen gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und den vermeintlichen “Wertezerfall”.

Diese Koalition funktioniert nur, wenn die Beteiligten überzeugt sind: Sie profitieren von dieser Allianz der einander eigentlich ideologisch fern stehenden Parteigenossen. Und da brodelt es unter den rechten Christen. Postmoderne und kritische Europäer (zum Beispiel Gerhard Schröder) mögen schockiert sein über die “christliche” Rhetorik im Weißen Haus, doch wurde aus Sicht der rechtschristlichen Führung gar nicht so wahnsinnig viel erreicht in den sechs Jahren unter Präsident Bush. Gesellschaftlich wird immer akzeptabler, was den Sittenwärtern unangenehm auffällt. Im Fernsehen sieht man immer mehr entblößte Haut, und ein Drittel der großen US-Unternehmen erlaubt es schwulen und lesbischen Angestellten, ihre Partner beziehungsweise Partnerinnen mit krankenversichern zu lassen. Auch politisch hat sich nichts Grundlegendes verändert. Schwangerschaftsabbruch ist nach wie vor legal. Und das Verfassungsprinzip der Trennung von Kirche und Staat steht.

David Kuo, selber Evangelikaler und früherer stellvertretender Direktor des “Büros für im Glauben gegründete Initiativen”, hat in einem neuen Buch schwere Anschuldigungen erhoben. Während das Weiße Haus konservative christliche Führer lobe und bei Veranstaltungen in die vorderen Reihen setze, verspotteten manche Mitarbeiter aus dem Stab des Präsidenten eben diese Klientel hinter deren Rücken als “verrückt” und “außer Kontrolle”, schreibt Kuo in seinem neuen Buch Tempting Faith (Den Glauben versuchen). Man muss dazu wissen, das “Büro für im Glauben gegründete Initiativen” ist federführend bei vielen Projekten, die darauf hinauslaufen, Kirchen mehr Regierungsmittel zu gewähren. Kuo kritisiert, Bush meine es nicht ernst genug mit der Hilfe für religiöse Verbände; zugesagte Gelder seien ausgeblieben. Die Republikanische Partei habe das Glaubensbüro zu wahltaktischen Zwecken benutzt.

Und der Lack ist ab von der vermeintlichen Saubermann-Identität republikanischer Politiker. Eine Reihe von Korruptionsskandalen sind bekannt, ein republikanischer Kongressabgeordneter sitzt bereits im Knast. Denkbar ungelegen kamen den Republikanern die Sex-Chats des eigenen Parlamentariers Mark Foley mit minderjährigen männlichen Kongresspraktikanten. Foley war ausgerechnet Vorsitzender eines Gremiums gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern. Es mehren sich Hinweise, dass führende Republikaner schon lange von Foleys Mails wussten und nichts unternahmen. Die “Sozialkonservativen” seien “frustriert”, meinte daraufhin der Vorsitzende der Republikanischen Partei in Michigan in der New York Times. Es fehle am “Feuer” für die politische Arbeit. Der Skandal habe “die Luft aus unseren Reifen gelassen”, klagt ein Vertreter des rechten “Familienforschungsrates”.

Jesus und die Armen

Besonders bedrohlich für die Republikaner und die rechtschristlichen Organisationen sind die Zweifel, die unter Evangelikalen laut werden, ob das Evangelium wirklich auf den Kampf gegen Abtreibung, Homoerotik und sexuelle Unmoral reduziert werden kann. “Gegen Armut kämpfen, ist ein biblischer Wert”, betont Jim Wallis. Der evangelikale Autor ist einer der führenden Protagonisten “linkschristlicher” Versuche, den Rahmen der Debatte über Religion und Politik neu festzulegen. Jesus Christus habe sehr viel gegen Armut und sehr wenig über Sexualmoral gesprochen. Die 1988 von Fernsehprediger Pat Robertson gegründete Christliche Koalition verliert rapide Mitglieder. In vier Bundesstaaten haben Ortsverbände die Büros geschlossen und ihre eigenen Vereine aufgemacht. Pastor Joel Hunter aus Orlando (Bundesstaat Florida), der vor kurzem neuernannte Präsident der Koalition, erklärte vor Journalisten, “traditionelle rechte Anliegen” reichten nicht, um das Evangelium zum Ausdruck zu bringen.

Um am 7. November die Kontrolle im Kongress zu übernehmen, müssen die Demokraten 15 Sitze im Repräsentantenhaus und sechs im Senat dazu gewinnen. Die Partei verweist optimistisch auf Umfragen, nach denen ihre Kandidaten in der Wählergunst weit vor den Republikanern liegen. Und dann ist da ja auch der lästige Krieg im Irak, der nicht mehr schön geredet werden kann und vielen christlich motivierten Wählern zu schaffen macht. Nicht zuletzt den weißen Evangelikalen, die ihren Präsidenten schätzen. Laut Pew Research Center waren noch im September 71 Prozent der Evangelikalen der Ansicht, die Entscheidung zum Krieg sei richtig gewesen. Nun seien es 58 Prozent. Um am 7. November ein Desaster abzuwenden, richteten sich die Appelle republikanischer Politiker in der Endphase des Wahlkampfes an ihre rechte Basis. Präsident Bush warnt vor legalisierten Homo-Ehen, obwohl das Thema sehr wenig zu tun hat mit dem Kongresswahlkampf. Ein Stück rohes Fleisch für die rechtschristlichen Hundertprozentigen. Früher hat das funktioniert.

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung   44 vom 03.11.2006. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

04. November 2006

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