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61 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki: Atomwaffen und die Hassliebe der Nachrichtenmedien

Von Norman Solomon - ZNet Kommentar 17.08.2006

Seit dem Kollaps der Sowjetunion vor 15 Jahren wurde das Thema ‘Nuklearwaffen’ in den USA weitgehend auf die hinteren Seiten der Zeitungen verbannt beziehungsweise in unsere Hinterköpfe. Über Atomwaffen echauffieren sich unsere großen Medien nur noch, wenn der Mann im Oval Office diese Waffen zum Thema macht.

Manche “Nuklearbedrohungen” existieren allerdings nur in der Einbildung. So überschlug sich die Bush-Administration im Vorfeld der Irakinvasion rhetorisch. Sie fabrizierte Beweise und warnte, der angeblich rauchende Colt könnte zu einem Atompilz mutieren. Das Weiße Haus steigerte sich öffentlich in ein irakisches Atomwaffenprogramm hinein, das gar nicht existierte.

Ganz im Gegensatz zum Irak scheint Nordkorea tatsächlich über ein oder zwei nukleare Gefechtsköpfe zu verfügen. Das Regime in Pjöngjang hat offensichtlich Atomwaffen. Folglich dürfte Bush wohl kaum einen Angriff auf Nordkorea befehlen - anders als im Falle Irak damals, oder denken wir an seine nicht eben subtilen Drohungen gegen den Iran.

Nach allem, was wir zuverlässig wissen, ist Teheran mindestens mehrere Jahre - wahrscheinlich circa ein volles Jahrzehnt - von einer Atombombe entfernt. Trotzdem läuten Amerikas Topoffizielle und führende US-Mediengurus die Sturmglocken.

Danach zu urteilen, wie oft man manche ausländische Staaten beschuldigt hat, Pläne zum Aufbau eines atomaren Arsenals zu hegen, könnte man meinen, das Thema Atomwaffen sei ein Lieblingsthema der US-Medien. Das ist aber nicht der Fall.

In unseren amerikanischen Nachrichtenmedien werden die rot-weiß-blauen Atomwaffen als beruhigende Garanten unserer nationalen Sicherheit präsentiert - schlimmstenfalls als notwendiges Übel - und das 61 Jahren nachdem das öffentliche Nuklearzeitalter mit dem Bombenabwurf auf Hiroshima begann.

Drei Tage nach den ersten Atombomben - auf Japan - gab der damalige US-Präsident eine Urlüge der US-Atompolitik von sich. Es war eine gigantische Lüge, aber nur sehr wenige US-Journalisten haben je dagegen angemurmelt. Nicht einmal murmeln.

Am 9. August 1945 präsentierte Präsident Harry Truman der Öffentlichkeit den Hammer: “Die Welt wird zur Kenntnis nehmen, dass die erste Atombombe auf Hiroshima, eine Militärbasis, abgeworfen wurde. Aus dem Grund, weil wir bei diesem ersten Angriff soweit als möglich vermeiden wollten, dass Zivilisten getötet werden”.

In Wirklichkeit hatte es die US-Regierung darauf abgesehen, japanische Städte auszuwählen, die groß genug waren, um die tödliche Wucht der Atombombe exemplarisch zu beweisen. Am 6. August traf es Hiroshima, am 9. August Nagasaki. Hunderttausende Zivilisten starben durch die beiden Bombenabwürfe - auf der Stelle oder später. Hätte Truman ein reines Gewissen gehabt, so glaube ich kaum, dass er sich am Beginn des Nuklearzeitalters zu so einer fundamentalen Lüge gezwungen gesehen hätte.

Das wissenschaftliche Knowhow des so genannten ‘Manhattan-Projekts’, das die Atombombe entwickelte, entstand ab Frühjahr 1943 in einem Geheimlabor in Los Alamos, im nördlichen New Mexiko. Dort befand sich das Hauptquartier des Projekts. Heute verfügt das Labor über ein Jahresbudget von $2 Milliarden. Dem Labor kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es gilt, die “Verlässlichkeit und Sicherheit” des Atomwaffenarsenals der amerikanischen Regierung zu gewährleisten (in dem inzwischen auch circa 10.000 Thermonuklearwaffen lagern). Darauf wird das meiste Geld verwendet. Andererseits findet sich in unseren amerikanischen Mainstream-Medien kaum ein aktueller Nachrichtenbericht, in dem so grundsätzliche Fragen erörtert werden wie: Stellt das Arsenal eine “nukleare Bedrohung” dar - in irgendeiner Weise?

Experten gehen davon aus, dass die israelische Regierung über rund 200 Atomwaffen verfügt. Wie die israelischen Militäraktionen der letzten Wochen verdeutlichen, ist die Regierung Israels willens, ihre Hightech-Waffen in rücksichtslosen Offensiven einzusetzen, bei denen viele Zivilisten getötet werden.

Doch beim Thema Nuklearwaffen lautet die implizite Botschaft der US-Medien, unsere amerikanischen Atombomben seien A-OK (alles im grünen Bereich). Auch die Tatsache, dass Washingtons Verbündeter Israel über ein großes Atomwaffenarsenal verfügt, sei nicht weiter besorgniserregend.

Unsere Atomwaffenstationierungspolitik - als Prinzip der “Abschreckung” - wird die Gläubigen weiter von der Vertrauenswürdigkeit ihrer Atom-Hohenpriester in Washington überzeugen, bis zu dem Moment, wo es eben anders kommt.

Wer tiefer geht als die nationalistische Oberflächlichkeit des ‘blind faith’, sollte sich ein paar wichtige Fragen stellen. Zwei von ihnen kamen letzte Woche von dem lateinamerikanischen Autor Eduardo Galeano: “Wer kalibriert eigentlich das weltweite Gefahrenmessgerät?” und “wer warf die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, der Iran?”

Soeben erschienen: Die Taschenbuchausgabe von ‘War Made Easy: How Presidents and Pundits Keep Spinning Us to Death’ von Norman Solomon www.warmadeeasy.com .

Quelle: ZNet Deutschland vom 22.08.2006. Übersetzt von: Andrea Noll. Originalartikel: News Media´s Love-Hate for Nuclear  Weapons .

Veröffentlicht am

25. August 2006

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