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Atomstreit: Moskauer Leitplanken

Von Karl Grobe - Kommentar

Die russischen Unterhändler sind mit gebremster Begeisterung in die Verhandlungen mit Iran eingestiegen. Die widersprüchlichen Handlungen und Äußerungen Teherans zur Atomfrage haben abkühlend gewirkt. Der - bisher noch eher symbolischen - Wiederaufnahme der Uran-Anreicherung folgt nun die Bemerkung des iranischen Außenministers Manoucher Mottaki, mit dem Moskauer Kompromissplan könne man unter gewissen Voraussetzungen etwas anfangen.

Russland hatte angeboten, ein russisch-iranisches Gemeinschaftsunternehmen sollte in Russland Nuklearbrennstoff produzieren. Iran hätte dann die Gewähr, Atomkraftwerke zu betreiben, und der Welt wäre garantiert, dass Iran nicht an waffentaugliches Spaltmaterial herankäme. Auf Details wie Vertragsdauer, Zugang zu technischem Wissen und mögliche weitere Partner müsse man noch zu sprechen kommen, deutete Mottaki an. Die zivile Nutzung der Atomenergie sei unverzichtbar.

Deutet sich da eine Lösung an? Wenn ja, wie weit reicht sie? Den russischen Unterhändlern ist nicht verborgen geblieben, dass die Widersprüche in Teherans Verhalten eng mit einer inneren Auseinandersetzung in Iran verwoben sind. Deren Stand beeinflusst die Glaubwürdigkeit iranischer Zusagen. Sollten die von interessierter Seite in den USA gestreuten Informationen zutreffen, dass der oberste Revolutionsführer, Ayatollah Khamenei, lebensgefährlich erkrankt ist, käme neue Unwägbarkeit hinzu. Eine - auch vorgezogene - Nachfolgekrise kann den Militanten ebenso nützen wie schaden. Die Gültigkeit jetzt ausgehandelter Verträge wäre wohl arg relativiert.

Andererseits haben die iranischen Entscheider Russlands ukrainische Signale verstanden: Verfügungsgewalt über Energierohstoffe bedeutet politische Macht. Die konziliantere Fraktion, der man abnehmen muss, dass sie “die Bombe” nicht um jeden Preis will, ist deswegen darauf bedacht, noch andere Teilhaber ins ausgelagerte Anreicherungsgeschäft einzubeziehen. Offen ist freilich, wer Inhalt, Umfang und fernere Ziele des Atomprogramms in Teheran bestimmt. Das steht nun nicht isoliert da. Es geht in etwas größerem Zusammenhang darum, welche Kraft Iran, ein weltbedeutender Ölverkäufer mit einigem Gewicht im Nahen und Mittleren Osten, über das Öl- und Gasgeschäft hinaus darstellen kann und welche Partnerschaften und Gegnerschaft eine Teheraner Regierung, gleich welcher Prägung, ins Kalkül aufnehmen muss. Um das regionale Machtgefüge also geht es. Darin ist Iran nicht nur ein Objekt fremder Interessen.

Das Verhältnis zu den USA ist von Gegnerschaft geprägt, mit Gründen. Seit 60 Jahren betrachten die USA die Golfregion, also auch Iran, als Zone strategischer Interessen. Die rund 25 Jahre der Partnerschaft, vertreten durch Schah Mohammed Reza, sind doppelt belastet: Die Islamische Republik leitet ihre Legitimation aus der Revolution gegen den Pahlewi-Schah ab. Dessen Herrschaft war Ergebnis des Staatsstreichs gegen Premier Mohammed Mossadegh, den die USA vor 53 Jahren durch die CIA haben organisieren lassen. Das ist so wenig vergessen wie die Geiselhaft, in der US-Diplomaten in Teheran sich nach der Revolution über ein Jahr lang befunden haben. Und auch an die Instrumentalisierung des irakischen Diktators Saddam Hussein durch die USA im ersten Jahrzehnt seit der Revolution erinnert sich die Teheraner Führung; Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat in jenem Krieg sein Weltbild geformt, ein radikal anti-amerikanisches.

Die Präsenz des US-Militärs an fast allen Grenzen Irans nährt dieses Weltbild ebenso wie die anschwellenden kriegerischen Töne, die aus Washingtons regierender rechter Ecke herüberklingen. Dass Ahmadinedschad sich alle Mühe gibt, sich als Unterstützer der radikalen Hamas in Palästina, der Hisbollah in Libanon und dergleichen zu profilieren, kann als Mittel im asymmetrischen verdeckten Krieg interpretiert werden. Und das unterstellte Atombomben-Streben ebenso.

Auf diesem Hintergrund ist das gegenwärtige diplomatische Unterfangen in Moskau ungemein schwierig, zu einem zivilen Atomkompromiss zu kommen. Es ist aber die wohl einzige Möglichkeit, einem dann nicht nur regionalen Krieg noch zu entgehen.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 21.02.2006. Wir veröffentlichen den Artikel mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

21. Februar 2006

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