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Uganda: Die USA lassen ihren Vorposten in Ostafrika nicht aus dem Auge

Von Rupprecht Podszun

Uganda als dem viel beschworenen Musterland der “afrikanischen Wiedergeburt” wird eine Schlüsselrolle in der neuen Geopolitik auf dem Kontinent zugesprochen - sowohl im Konflikt zwischen Ruanda und Kongo als auch bei einer Befriedung des Sudan. Das ugandische Modell des Präsidenten Museveni hat einflussreiche Schirmherrn, die vorzugsweise in der US-Administration sitzen und es mit dem Souveränitätsbegriff nicht so genau nehmen.

Wer Samuele Tognetti fragt, wie die Lage im Norden Ugandas ist, der bekommt eine Zahl genannt. “3.000” - sagt der italienische Verwaltungschef des Lacor Hospitals in Gulu - “es ist ruhig”. Ruhig, das ist natürlich euphemistisch, denn im Norden Ugandas herrscht Krieg, die Lord’s Resistance Army (LRA), eine skrupellose Rebellentruppe, terrorisiert die Bevölkerung. Die LRA gegen die Regierung - das ist der große Konflikt, der Uganda seit Jahren in Atem hält, das ist der Grund, warum vor Reisen nach Uganda gewarnt wird, und das ist der Grund für die Zahl 3.000: So viele Kinder wandern Nacht für Nacht in die Stadt Gulu, sie verlassen in einer kilometerweiten Prozession ihre Dörfer, um in den Mauern des bewachten Krankenhauses Zuflucht zu suchen. Sie haben eine Decke dabei und ein Geschwisterchen auf dem Rücken, sie breiten ihre Decke aus, schlafen und laufen im Morgengrauen wieder zurück in ihre Dörfer. Ihre Eltern haben Angst vor den Rebellen - die LRA des Joseph Kony, die sich zynisch auf die Zehn Gebote beruft, überfällt die Dörfer, macht aus den Jungen Soldaten und aus den Mädchen Sexsklavinnen.

“Wenn die LRA aktiver wird”, sagt Tognetti, “dann haben wir nachts auch mal 12.000 Kinder hier, dann schlafen sie überall, selbst auf den Bäumen.” Er lacht. Er zählt die Kinder und weiß, wie stark Kony ist. In den vergangenen Monaten sind es weniger “night commuters” geworden, und vielleicht tut sich doch noch etwas in dem seit zwei Jahrzehnten andauernden Konflikt.

Idi Amins Schlachthaus

Betty Bigombe, eine resolute Politikerin, verhandelt mit den Rebellen. Sie beklagt, dass sich die Menschen an den Krieg gewöhnt haben, ja: es gebe zu viele, die von diesem Konflikt profitierten, als dass sie wirklich an einer Lösung Interesse hätten. Und das - so klingt es bei Bigombe an - meint nicht nur die Waffenschieber, vielleicht auch manche Helfer, denen der Konflikt mit der LRA eine Aufgabe verschafft: Uganda und die Helfer im Lande sind in gewisser Weise abhängig von schlechten Nachrichten.

Der Staat am Äquator hat Potenzial: Er ist etwa so groß wie die frühere Bundesrepublik, reich an aufregenden Landschaften und beeindruckenden Nationalparks. Berggorillas und der Nil, der dem Viktoriasee entspringt, sollen Touristen anziehen, die Kriminalitätsrate ist niedrig, die Menschen sind freundlich und offen - wenn es dem Besucher nichts ausmacht, dass ihm allerorten “Mzungu! Mzungu!” (Weißer! Weißer!) zugerufen wird.

Doch dem Land mit dem Kronenkranich im Wappen hängt seine Geschichte nach. Winston Churchill hatte die frühere britische Kolonie einst die “Perle Afrikas” genannt, aber nach den Briten wurde aus der Perle ein Schlachthaus: In den siebziger Jahren führte der damalige Staatschef Idi Amin ein brutales Regime, Hunderttausende wurden ermordet, die wirtschaftlich starken Inder aus dem Land getrieben, die Nachbarstaaten in Kriege verstrickt. Als Amin 1979 gestürzt war, versank Uganda im Chaos, Milton Obote, der kurz nach der Unabhängigkeit von den Briten bereits Regierungschef gewesen war, übernahm die Macht. Doch konnte er das Land nicht befrieden, sondern stürzte es erneut in kriegerisches Unheil und trat die Menschenrechte mit Füßen. Dann putschte Yoweri Museveni, der ehemalige Rebellenführer entpuppte sich als umsichtiger Lenker auf dem Weg zu einem friedlichen und demokratischen Neuaufbau.

Museveni - er regiert seit 1986 - gilt als Rarität unter den afrikanischen Staatschefs, zumindest aus Sicht der internationalen Geberländer. Er hat mit Uganda so etwas wie ein Erfolgsmodell vorzuweisen: Das Regime Museveni bietet ein überschaubares Land, eine stabile Regierung und plakative Erfolge. Und er hat eine leidlich funktionierende Demokratie durchgesetzt, ab 2006 sollen Parteien zugelassen werden, es gibt den Monitor, eine unabhängige Tageszeitung, die sich gelegentlich traut, die Regierung zu kritisieren. Die Versuchung aber, es den anderen afrikanischen Potentaten gleich zu tun, ist immer wieder groß, und immer wieder müssen die Weltbank und die Vereinten Nationen, die USA und diverse Nichtregierungsorganisationen (NGO) Museveni daran erinnern, dass der Erfolg seines “Movements” auch an ihrer Protektion hängt. Augenblicklich will der Staatschef eine weitere Amtszeit, die ihm nach der Verfassung nicht vergönnt wäre. Und so werden Oppositionelle, die dem widersprechen, unter Druck gesetzt.

Uganda ist umgeben von notorischen Krisenstaaten wie Kongo, dem Sudan und Ruanda. Wie heikel eine solche Nachbarschaft sein kann, zeigte der Hubschrauberabsturz des sudanesischen Vizepräsidenten John Garang Ende Juli. Er war mit einer ugandischen Regierungsmaschine unterwegs und starb unter ungeklärten Umständen nahe der sudanesisch-ugandischen Grenze. Ausschreitungen im Südsudan waren die Folge, auch in den Straßen von Kampala war Unruhe spürbar, es lag etwas in der Luft. Es sind diese so afrikanischen Momente, die manchmal die Hoffnung schwinden lassen.

Ungeliebt, aber unersetzbar

Die größte Hoffnung für Uganda ist die anhaltende Hilfe der USA. Während Clintons Präsidentschaft entdeckte man das Land, es wird seither unterstützt, aus lauteren Motiven und aus eigennützigen: Lauter war der Versuch, ein afrikanisches Erfolgsmodell zu kreieren, zu zeigen, es geht doch - gerade nach dem Fiasko des Staatszerfalls in Somalia Anfang der neunziger Jahre. Eher eigennützig ist der Antrieb, eine sichere Bastion in einem labilen Umfeld haben zu wollen. Uganda soll ein pro-amerikanischer Vorposten in Ostafrika sein. Geostrategisch liegt das Land ausgesprochen günstig - in Tuchfühlung mit den Krisenstaaten in der Region der Großen Seen, in gebührendem Abstand zwar, aber nicht allzu weit von der arabischen Halbinsel, ohne selbst muslimisch zu sein. Die USA bezeugen ihr Interesse mit viel Geld und viel Personal vor Ort. Souveränität, diese heilige Kuh der Staatslehre, ist stellenweise, so denkt man, nur noch eine Formel, wenn selbst die Regierung in Kampala stetig von den Mittelsmännern Washingtons “beraten” wird und mehr als die Hälfte des ugandischen Staatshaushalts von internationalen Gebern kommt.

Die fremde Hilfe ist ungeliebt, aber unersetzbar. Noch ist die Ökonomie nicht so auf Touren gekommen, wie es nötig wäre. Und das, obwohl neben Kaffee und Tilapia noch andere Güter exportiert werden könnten. 38 Prozent der rund 27 Millionen Einwohner gelten als arm, vielleicht zwei Drittel der Bevölkerung leben von der Subsistenzwirtschaft. Mit Kleinstkrediten versucht man die privaten Firmen anzukurbeln, doch Korruption und Ineffizienz lähmen noch immer die Initiative. Von wirtschaftlichem Esprit kann keine Rede sein, und die wenigen erfolgreichen Unternehmen sind meist in kenianischer Hand. Uganda zählt zu den 50 am wenigsten entwickelten Staaten weltweit und ist zudem “landlocked”, ohne Zugang zum offenen Meer.

Der Einfluss der Geberländer reicht weit, aktuelles Beispiel: Aids. Präsident Museveni wagte eine mutige ABC-Kampagne: “Abstain - Be Faithful - Use Condoms”. Er sprach das Problem offen an und propagierte - gegen den Widerstand der katholischen Bischöfe - den Gebrauch von Kondomen. Mit Erfolg: Die Aids-Rate liegt bei etwa fünf Prozent, das ist sehr wenig, blickt man auf die Nachbarländer.

Doch seit im Weißen Haus in Washington die religiösen Fundamentalisten größeren Einfluss haben, spielen Kondome in der Aids-Erziehung und Werbung nur noch eine untergeordnete Rolle. Nun setzt auch Museveni auf Askese und Treue. Es scheint, als sei dieser afrikanische Staatschef, der so ungewöhnlich oft das aus westlicher Sicht Richtige tat, nun im Westen an die Falschen geraten.

Ein Unbehagen bleibt

Noch einmal zurück zu Samuele Tognetti, in das Lacor Hospital in Gulu. Aids ist hier nicht das große Thema, Kondome sind es schon gar nicht, das Krankenhaus steht unter katholischer Führung. Lacor ist bekannt geworden wegen einer anderen Epidemie: Als Ebola, das tödliche Virus aus dem Dschungel, im Jahr 2000 in Uganda auftauchte, war das Lacor Hospital Anlaufstelle für Epidemologen aus aller Welt. Samuele Tognetti seufzt - es ist auch hier dieser merkwürdige Kreislauf von Abhängigkeiten und Profit, der sich aus Katastrophen schlagen lässt. Seit dem Ebola-Ausbruch erhält man sehr viel mehr Entwicklungsgelder als zuvor, weil die Klinik in den Blickpunkt internationalen Interesses rückte. Die Arbeit des Lacor ist ein Erfolgsmodell, so wie Musevenis Regierung als Muster für Ostafrika herhalten soll. Aber noch ist hier wie da der Durchbruch nicht erreicht - und ein Unbehagen bleibt.

Uganda im ostafrikanischen Vergleich

Jeweils: Uganda - Ostafrika

  • insgesamt Bevölkerung (Stand 2003): 24,9 Mill. - 260 Mill.
  • Bruttosozialprodukt / Kopf (2002 / in US-Dollar): 1.210 - 880
  • Bevölkerungsprojektion* bis 2025: 48,0 Mill. - 396 Mill.
  • Bevölkerungsprojektion bis 2050: 84,1 Mill. - 572 Mill.
  • Bevölkerung jünger als 15 Jahre (Anteil in %): 51,1 - 45,0
  • Bevölkerung älter als 65 Jahre (Anteil in %): 2,0 - 3,1
  • Lebenserwartung bei der Geburt: 43 Jahre - 47 Jahre
  • Städtische Bevölkerung in % Gesamtbevölkerung: 16,0 - 20,1
  • Anteil der HIV-Infizierten in % bei Erwachsenen: 5,0 - 9,7

*Alle weiteren Angaben beziehen sich auf 2003
Quellen: Deutsche Stiftung Weltbevölkerung / UNIDO

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung 40 vom 07.10.2005. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Rupprecht Podszun sowie dem Verlag.

Veröffentlicht am

14. Oktober 2005

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