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Eine neue und beunruhigende Macht - Poor People’s March for Economic Human Rights

Das Wesentliche in Kings Leben und in seinem Vermächtnis ist die tiefe Überzeugung, dass eine neue Gesellschaft machbar ist, und dass diese neue Gesellschaft nur durch eine massive Bewegung, die quer durch alle Gesellschaftsschichten geht, errichtet werden kann. Die Kensington Welfare Rights Union und die Poor People’s Economic Human Rights Campaign sind entschlossen, all ihre Energien und ihre Mittel darauf zu konzentrieren, diesen dringlichen und moralisch notwendigen Kampf fortzuführen, dem Reverend Dr. Martin Luther King, Jr. sein Leben widmete, und für das er sein Leben ließ. Sie rufen alle auf, das gleiche zu tun. In Anknüpfung an Martin Luther Kings “Poor People´s Campaign” im Jahr 1968 findet im August 2003 ein Marsch durch die Südstaaten der USA bis nach Washington D.C. statt, wo eine Woche lang eine Zeltstadt errichtet wird. Damit sollen die Menschen im reichsten Land der Welt auf die zunehmende Krise im Bereich Krankenversorgung, Wohnen, Versorgung mit Nahrung und Dingen des täglichen Bedarfs aufmerksam gemacht werden.
Cheri Honkala und Willie Baptist beleuchten die Hintergründe und Zusammenhänge.

Poor People’s March for Economic Human Rights Eine neue und beunruhigende Macht

Von Cheri Honkala, Landessprecherin von Poor People’s Economic Human Rights Campaign/Direktorin des Kensington Welfare Rights Union und
Willie Baptist, Leiter der Bildungsarbeit der Kensington Welfare Rights Union; Co-Koordinator bei University of the Poor , dem Bildungszweig der Kampagne.

“Es gibt Millionen Menschen in diesem Land, die sehr wenig oder gar nichts zu verlieren haben. Wenn man ihnen hilft, um zusammen in Aktion zu treten, werden sie das mit einer Freiheit und Kraft tun, die eine neue und beunruhigende Macht in Leben unserer selbstgefälligen Nation darstellen werden…” - Dr. Martin Luther King Jr., Die Posaune des Gewissens, 1967

Es ist kein Zufall, dass die letzten Jahre von Martin Luther King Jr. die am wenigsten besprochenen und am wenigsten verstandenen sind. Im letzten Abschnitt seines Lebens entschied King, dass das, was eine Bürgerrechtsbewegung gewesen ist, zu einer Menschenrechtsbewegung werden müsse, die auf die weltweite Armut abzielt, darunter ihre verheerende Auswirkung auf große Bevölkerungsanteile des reichsten Landes der Erde, der Vereinigten Staaten von Amerika. Da viele von Kings früheren Verbündeten ihn im Stich gelassen hatten, und weil der Druck auf ihn und seine Bewegung wuchs, machte sich King daran, eine “gewaltlose Armee der Armen” aufzubauen, um Washington, D.C. während des Frühjahrs 1968 zu belagern. Dieses Vorhaben sollte zu seiner Ermordung führen. In einem von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen Prozess im Dezember 1999 wurde ermittelt, dass seine Ermordung nicht das Werk eines “fanatischen Rassisten” gewesen ist, sondern ein Zusammenspiel von Beamten vieler Regierungsebenen. Darin involviert waren lokale Geheimdienste und die Polizei, das FBI, die CIA, und der Militärgeheimdienst. (Den offiziellen Bericht über die Verhandlung findet man unter www.universityofthepoor.org - Library section)

Die sogenannte “Poor People’s Campaign”, die in Kings letzten Jahren die wichtigste Stellung einnahm, wollte die Armen über Rassenschranken hinweg organisieren und vereinen, zuerst in den USA, und schließlich auf der ganzen Welt. King verstand, dass die tiefen moralischen und politischen Krisen seiner Zeit - Rassismus, Krieg, soziale Ungleichheit - im Grunde in einem Wirtschaftssystem verwurzelt sind, das Millionen das Recht auf ein anständiges Leben verwehrt, damals wie heute. Nach der Verabschiedung der Bürgerrechtsgesetze von 1964, und der Wahlrechtsgesetze von 1965, erkannte er, dass “wir uns von der Ära der Bürgerrechte hin zur Ära der Menschenrechte bewegen, eine Ära, in der wir aufgefordert sind gewisse grundlegende Fragen an die Gesellschaft zu stellen, das heißt unter anderem eine Revolution der Werte. Wir sehen nun, dass die Übel des Rassismus, der wirtschaftlicher Ausbeutung und des Militarismus alle zusammengeschnürt sind und man kann sich nicht eines einzelnen entledigen, ohne das auch mit den anderen zu tun.” - Rede vom Mai 1967 auf der SCLC Mitgliederversammlung.

“Eine rassenübergreifende, gewaltlose Armee, oder Friedenskirche der Armen” würde als eine “neue und beunruhigende Macht” errichtet werden, mit der Fähigkeit, das Denken und das Gewissen des amerikanischen Volkes quer durch alle Gesellschaftsschichten aufzuwecken, die dann mit den mehr als ausreichend vorhandenen produktiven Mitteln, die man bereits zur Hand hat, die “Last der Armut verteilen” würden. Mehr als 30 Jahre später sind Kings Worte immer noch prophetisch: “Es wütet ein Feuer unter den Armen dieser Gesellschaft. Entrechtete Menschen überall auf der Welt verbluten aus tiefen ökonomischen und sozialen Wunden. Sie brauchen Trupps von Krankenwagenfahrern, die die roten Lichter des gegenwärtigen Systems ignorieren, solange, bis der Notfall behoben ist.” (aus: “The Triumph of Conscience”)

King sprach von der Notwendigkeit und der Möglichkeit, dass die Vereinigten Staaten “die wahre Bedeutung ihres Credos ausleben”, dass alle Kinder Gottes gleich geschaffen seien, ausgestattet mit dem unveräußerlichen Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück. Dies ist die Seele Amerikas, die Erlösung, der er sich verpflichtet hatte. Freiheit und Glück bedeuten nichts, ohne die ökonomischen Menschenrechte auf angemessene Behausung, adäquate Gesundheitsversorgung und Ernährung, eine Arbeit, dessen Lohn die Lebenshaltung deckt, und ein erstklassiges Bildungswesen. Angesichts der gewaltigen Produktionskapazität und des Überflusses in den Vereinigten Staaten ist die Tatsache, dass Millionen Menschen an diesen Dingen mangelt, unmoralisch und ungerecht. Indem wir eine Bewegung für ökonomische Menschenrechte aufbauen, die von den Armen als eine vereinigte und organisierte Macht angeführt wird, bauen wir die Mittel auf, die nötig sind, um sich auf die grundlegendsten Werte und die Moral unseres Landes zurückzubesinnen.

Die Kensington Welfare Rights Union *, eine rassenübergreifende Organisation armer und obdachloser Familien, hat den Banner der ökonomischen Menschenrechte vor fünf Jahren aufgegriffen, und begann damit, Verletzungen der ökonomischen Menschenrechte in den vereinigten Staaten zu dokumentieren. Wir fanden heraus, dass unser eigenes Schicksal als arme, obdachlose, unterbeschäftigte Familien in Philadelphia, tagtäglich im ganzen Land ihre Wiederholung finden. Wir erkannten, dass in diesem Land tatsächlich ein Feuer wütet, ein Feuer, geschürt in drei Jahrzehnten massiver “Gesundschrumpfung”, Sozialreformen und anderer Kürzungen von Sozialprogrammen, durch Automatisierung und Globalisierung, und einer Wirtschaft, die eine neue Klasse von Menschen jedweder Rasse geschaffen hat, denen mehr und mehr das Recht auf das Lebensnotwendigste verwehrt wird.

Wir spürten dieses Feuer und sahen es wüten - ausgehend von Kensington, North Philadelphia, wo arbeits,- und obdachlose Familien in verlassenen Fabrikgebäuden schlafen und wo tausende Arbeitsplätze verlorengingen und keine neuen geschaffen wurden; über Kansas, wo Landwirte von ihrem eigenen Grund und Boden verjagt werden, weil sie nicht mit den großen Agrarfirmen konkurrieren können; bis nach Flint, Michigan, wo die Automation der Automobilindustrie, gefolgt vom Verlust von Stellen bei der NAFTA, hunderttausende Menschen ohne Arbeit, und am Rande der Obdachlosigkeit dastehen ließ; bis nach Florida, wo Landarbeiter sich das Gemüse, das sie ernten, kaum leisten können; und bis nach Idaho, wo von Entlassungen betroffene Familien in Zelten am Flussufer leben, und das in einem der kältesten Gegenden der Vereinigten Staaten.

Als wir die Vereinigten Staaten bereisten, um die Poor People’s Economic Human Rights Campaign aufzubauen, sahen wir, dass die “Trupps von Krankenwagenfahrern” dringend notwendig waren, um zusammen dieses Feuer zu löschen, das unsere Kinder umbringt, unsere Brüder und Schwestern, unsere Mütter und Väter, und das droht, sich über die gesamte Gesellschaft auszubreiten, wenn wir jetzt nicht handeln. Wir müssen uns ernsthaft darum kümmern, neue Führungspersonen unter den Armen aufzubauen, und die Menschen dieses Landes hinter dem Banner der ökonomischen Menschenrechte für alle zu vereinen. Wir sehen wie Dr. King, dass unser Land und unsere Welt eine “Wiedergeburt” brauchen. Und so haben wir das Erbe von Dr. King angetreten, und es an unsere gegenwärtige politische und wirtschaftliche Situation angepasst.

So wie King sehen wir, dass das heutzutage wütende Feuer von uns abverlangt, dass wir die roten Lichter des gegenwärtigen Systems ignorieren - wie etwa ungerechte Gesetze, die uns dazu zwingen, vor leerstehenden Häusern auf der Straße zu schlafen, das rote Licht, das uns sagt, dass wir nicht auf öffentlichen Straßen demonstrieren dürfen, obwohl unsere Stimme das einzige ist, was uns retten kann; das rote Licht, das uns auffordert, geduldig zu sein und zu warten; das rote Licht, das uns vorwirft, dass wir unrealistisch sind, und dass der Armut kein Ende gesetzt werden kann, selbst dann, wenn wir mehr als genug für alle besitzen. Wir treten in die Fußstapfen von Dr. King, indem wir gewaltlosen zivilen Ungehorsam leisten, darunter bei Hausbesetzungen, Demonstrationen vieler tausend Menschen, oder kürzlich in der Zeltstadt in der Market Street im Stadtzentrum von Philadelphia, wo zwölf Menschen, darunter sechs Kinder verhaftet wurden, weil sie für bezahlbaren Wohnraum kämpften.

Die “Poor People’s Campaign” von 1968 ging an Orte, wo niemand sonst hingehen wollte, und organisierte tausende arme Menschen, vereinigte die Armen aller Rassen, sowohl aus ländlichen, als auch aus urbanen Gegenden - und sorgte für ihre politische Bildung, um die “gewaltlose, rassenübergreifende Armee der Armen” aufzubauen. King wusste, dass die Zukunft unserer Gesellschaft an den Kampf der Armen für ein Leben ohne Mangel und Not gebunden ist. Das Wesentliche in Kings Leben und in seinem Vermächtnis ist die tiefe Überzeugung, dass eine neue Gesellschaft machbar ist, und dass diese neue Gesellschaft nur durch eine massive Bewegung errichtet werden kann, eine die quer durch alle Gesellschaftsschichten geht, eine Bewegung, die auf die Einheit und Organisierung der Armen aller Hautfarben basiert. Die Kensington Welfare Rights Union, und die Poor People’s Economic Human Rights Campaign sind entschlossen, all ihre Energien und ihre Mittel darauf zu konzentrieren, diesen dringlichen und moralisch notwendigen Kampf fortzuführen, dem Reverend Dr. Martin Luther King, Jr. sein Leben widmete, und für das er sein Leben ließ. Wir rufen alle auf, das gleiche zu tun.

Quelle: http://www.kwru.org/march/updates/15july2003.html . Übersetzung: Csilla Morvai.

*Die Kensington Welfare Rights Union (KWRU) ist eine rassenübergreifende Organisation von und für arme und obdachlose Menschen. Sie geht davon aus, dass alle Menschen das Recht auf ein gutes Leben und nicht nur auf bloßes Überleben haben. KWRU hat sich der Sache der Sozialhilfeempfänger, Obdachlosen, und unterbezahlten Erwerbstätigen verschrieben und aller Menschen, denen es um ökonomische Gerechtigkeit geht.

Mehr Informationen zum Marsch finden sich unter Poor People’s March for Economic Human Rights .

Siehe auch das in dieser Website veröffentlichte Interview mit Willie Baptist: Klassenkampf .

Veröffentlicht am

24. August 2003

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